Der Druck auf Anlagen wächst
Neben der Möglichkeit, eine komplett neue Automatisierung zu realisieren, lassen sich auch mit einem Retrofit die Anlagen Industrie-4.0-fähig machen. Dabei überzeugt eine Modernisierung durch einen geringeren finanziellen und zeitlichen Aufwand und einen schnelleren Return on Invest. Parallel stellt ein Industrie-4.0-Retrofit besondere Anforderungen an die Unternehmen. Es gilt die Ziele Leistungssteigerung, Kosteneinsparung, Erfüllung neuer Standards und Vorschriften zu realisieren, aber auch Themen wie die Digitalisierung und Vernetzung, Datenanalyse und -nutzung, Interoperabilität sowie Flexibilität und Skalierbarkeit zu berücksichtigen.
Gut geplant ist halb gewonnen
Ein gut geplantes Retrofit ist Grundlage für einen erfolgreichen Modernisierungsprozess, der die gewünschten Ziele erreicht, Risiken minimiert und die Effizienz der Anlage verbessert. Bei Gebhardt steht daher am Anfang die Bewertung und Analyse. Ergebnis ist die Identifikation der Schwachstellen, das Aufzeigen von Verbesserungspotenzialen und notwendigen Anpassungen, die Definition von Einflussgrößen sowie die Auswahl geeigneter Sensoren und Kommunikationsschnittstellen.
Das anschließende Konzept, berücksichtigt vom einzelnen Behälterstellplatz über das Intralogistik-System, die Mechanik, Steuerungstechnik und Software alle wichtigen Komponenten. Entsprechend der ausgewählten Maßnahmen erfolgen die Implementierung und damit der Austausch von Komponenten, die Installation neuer Steuerungs- und Automatisierungssystemen oder die Aktualisierung von Software. Ganz wichtig ist für Gebhardt, den Kunden nach Test und Inbetriebnahme nicht „allein“ zu lassen. Schulungen bringen den Mitarbeitenden den richtigen Umgang mit der neuen Anlage bei und schaffen Akzeptanz. In über 70 Jahren Firmengeschichte blickt Gebhardt auf zahlreiche erfolgreiche Retrofit-Projekte zurück.
Shuttlelager mit neuer Lagerstrategie Hans Werner GmbH & Co. KG
Ausgelöst durch ein erhöhtes Bestellvolumen sah sich der Werkzeuggroßhändler Hans Werner GmbH & Co. KG im baden-württembergischen Laupheim mit einer gesteigerten Leistungsanforderungen an das Lager konfrontiert. Weiterhin galt es, den Materialfluss zu optimieren sowie schnellere und reibungslosere Abläufe zu realisieren. Zudem wollte man voranschreitenden digitalen Innovationen berücksichtigen und das System auf den neusten Stand der Technik bringen.
Die Ausgangssituation bestand aus einem viergassigen Automatischem Kleinteilelager (AKL) mit vier Regalbediengeräten (RBG). Die Lagerung erfolgte doppeltief und erreichte eine Lagerkapazität von knapp 61.000 Behältern. Die implementierte Fördertechnik sorgte für einen unterbrechungsfreien Warenfluss vom Wareneingang bis zum -ausgang.
Das Projekt sah den Umbau einer der vier Gassen zu einem Multi-Level-Shuttlelager vor. Die Gebhard „Store-Biter“ Multi-Level-Shuttle (MLS) sind perfekt für einen Retrofit von RBG- zu Shuttlelagern geeignet, da sie auf Basis der bewährten Regalbediengerätetechnologie entwickelt wurden. Für die Modernisierung wurde die bestehende Regalanlage weiterverwendet und der Umbau bei laufendem Betrieb realisiert. Die insgesamt sieben gestapelten „Store Biter“ MLS unterstützen die drei bestehenden RBG beim effektiven Zugriff auf die Ein- und Auslagerung der Waren. Zwei Behälterheber und die zusätzliche Implementierung eines zweiten Loops erhöhen den Durchsatz maßgeblich.
Durch die Umrüstung einer Gasse erzielt die Shuttlelösung mehr Leistung als vorher alle vier RBG-Gassen zusammen. Die damit entstandene Retrofit-Lösung führte zu einer neuen Lagerstrategie. Während die MLS-Gasse die Kommissionierung versorgt, bilden die RBG-Gassen das Nachschublager bzw. das Lager für Langsamdreher. Die Lösung ist dank der modularen Bauweise flexibel erweiterbar und bestens geeignet für weitere Modernisierungsmaßnahmen.
Retrofit auf Basis hochautomatisierter Komponenten Dr. Johannes Heidenhain GmbH
Technologischer Fortschritt und Digitalisierung verlangen vielfach Anpassungen an bestehenden Intralogistik-Anlagen, um auf lange Sicht wettbewerbsfähig zu bleiben. So erging es auch der Dr. Johannes Heidenhain GmbH aus Traunreut.
„Bei allen positiven Aspekten eines Retrofits war uns klar, dass so ein Projekt eine große Herausforderung für alle Beteiligten ist und es einen starken und verlässlichen Partner benötigt“, erläutert Dr. Günther Obermeier, Leiter der Gebäudetechnik, die Entscheidung für Gebhardt. „Wir waren sicher, mit Gebhardt eben diesen Partner gefunden zu haben.“
Das Konzept umfasste die Anpassung des Lagers sowie der Kommissionierung für Fertigung und Versand. Im Detail tauschte man die Paletten- und Behälterfördertechnik sowie die RBG in beiden Bereichen durch Gebhardt-Systeme aus und erweiterte das Lager um eine Gasse. Der Lagerausbau und die zusätzlichen Arbeitsplätze machten eine Anpassung des Materialflusses nötig.
Aus Alt mach Neu
Im Bereich der Behältertechnik wurden die vorhandenen Komponenten ausgetauscht und erweitert. Die Anzahl der Arbeitsplätze wurde um fünf auf 14 Standard-Kommissionierarbeitsplätze erhöht und die Anbindung an das bereits bestehende sechsgassige Behälterlager umgesetzt. Das Paletten-Hochregallager erweiterte man von einem dreigassigen zu einem viergassigen Lager mit 13 Ebenen und insgesamt 4.224 Palettenstellplätze. Das RBG „Cheetah heavy“ von Gebhardt mit Teleskop realisiert die einfachtiefe vollautomatische Ein- und Auslagerung und transportiert Fördergüter von bis zu 1.000 Kilogramm.
Modular aufgebaut, passt sich das „Cheetah heavy“ von Gebhardt perfekt an die Anforderungen in Bezug auf Tragfähigkeit, Abmessungen, Höhe der Halle sowie Ein- und Auslagerungen pro Stunde an und deckt so eine Vielzahl an Anwendungen ab. Die Palettentfördertechnik erweiterte man großflächig. Der Materialfluss wurde über drei Stockwerke verbunden, um an dieser Stelle die Anforderungen umzusetzen und für zukünftige Erweiterungen gewappnet zu sein. Mit Stapel- und Entstapelgeräten, Hebern, Umsetzern, Ketten- und Staurollenförderern griff Gebhardt auf die volle Produktpalette zurück und realisierte zudem die Anbindung an die Fahrerlosen Transportsysteme.
Perfekt abgestimmt und kombiniert
Erst wenn alle Komponenten und Prozesse perfekt aufeinander abgestimmt sind, lässt sich das volle Potenzial eines Retrofits ausschöpfen. Dafür arbeitete Gebhardt eng mit einem SAP Beratungshaus zusammen. Materialfluss- und Lagerverwaltungssysteme mussten ausgetauscht sowie die perfekte Anbindung an das Warenwirtschaftssystem realisiert werden. Dazu setzte Heidenhain auf das SAP Extended Warehouse Management (EWM) mit der integrierten Funktionskomponente SAP MFS (Material Flow System). Vollumfänglich wurden das sechsgassige AKL, das viergassige HRL, das eingassige Tablarlager sowie die bestehende Behälter- und Paletten-Fördertechnik direkt an SAP EWM/MFS angebunden. Die nahtlose Integration der sieben Fahrerlosen Transportsysteme (vier Unterfahr- und drei Gabelhub-Fahrzeuge) in das SAP EWM/MFS stellen zudem einen unterbrechungsfreien Materialfluss sicher und tragen somit ebenfalls zur Leistungssteigerung bei.
Insgesamt ist ein Retrofit eine wichtige Strategie, um Anlagen, Gebäude und Infrastrukturen auf dem neuesten Stand zu halten, ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern und den heutigen Anforderungen gerecht zu werden. (jak)
Eine Information der Gebhardt Intralogistics Group
Redaktion (allg.)
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