„Vertrauen ist Grundlage für alles!“

Ein Gespräch über Stabilität, Erfahrungen und Mehrwerte

Wenn Jan Kaulfuhs-Berger (rechts), Chefredakteur der Zeitschrift „Technische Logistik“, auf der Logimat bei SSI Schäfer vorbeischaut, springt meist ein Interview über die aktuellen Innovationen des Unternehmens heraus. Dieses Mal traf er sich mit CEO Peter Edelmann (Mitte) und Mauro Lunardelli, Leiter Geschäfts­bereich Logistics Solutions – und bekam neben Einschätzungen über die aktuelle Marktlage und Informationen über aktuelle Innovationen auch Einblicke in die Seele von SSI Schäfer.

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TL-Chefredakteur Jan Kaulfuhs-Berger (rechts) im Interview mit den Machern von SSI Schäfer: CEO Peter Edelmann (Mitte) und Mauro Lunardell, Head of Business Unit Logistics Solutions. Bild: SSI Schäfer
TL-Chefredakteur Jan Kaulfuhs-Berger (rechts) im Interview mit den Machern von SSI Schäfer: CEO Peter Edelmann (Mitte) und Mauro Lunardell, Head of Business Unit Logistics Solutions. Bild: SSI Schäfer

Jan Kaulfuhs-Berger: Meine Herren, blicken wir zunächst einmal auf die Märkte. Wie sieht es aus in Europa, in Asien und in Amerika?

Mauro Lunardelli: Fangen wir in Asien an: APAC ist ein Markt, der immer weiter wächst. Wir werden dieses Jahr zum ersten Mal in Südkorea auf einer Messe ausstellen; in Bangkok waren wir bereits in 2022 bei der ersten Logimat in Thailand. Das heißt, wir glauben an diesen Markt und bauen unsere Aktivitäten in der Region weiter aus. Europa hingegen ist etwas schwächelnd. Ich habe das Gefühl, man beschäftigt sich sehr mit politischen Themen, was gewisse Bremseffekte in der Wirtschaft hinterlässt. Ich denke, in Deutschland spürt man das erst recht. Die Märkte in Amerika und speziell in Nordamerika sind hingegen relativ stabil. Dort können wir gute Erfolge verzeichnen.

Peter Edelmann: Der Riesenvorteil von SSI Schäfer ist, dass wir global aufgestellt sind. Damit können wir Schwankungen in den Märkten, die ja immer wieder auftreten, gut ausgleichen – und an den Opportunitäten weltweit teilhaben. In Europa muss man derzeit, mein Kollege sagte es bereits, eher durchhalten und um jeden Auftrag kämpfen. SSI Schäfer hat eine globale Präsenz, und das ist eine unserer Stärken. Das bringt uns Wachstum und Stabilität. Stabilität ist wiederum die Grundlage für Innovationen und vieles mehr.

Wie möchte SSI Schäfer im Markt, also kundenseitig, gesehen werden?

Peter Edelmann: SSI Schäfer ist ein Familienunternehmen mit 85 Jahren Geschichte und etablierten Beziehungen zu Kunden und Partnern, die im Laufe von Jahrzehnten gewachsen sind. Ich möchte, dass wir auf dieser Historie aufbauen, unsere Kundenbeziehungen pflegen. Wir möchten der Partner der Herzen sein. Für unser Geschäft sind Vertrauen, Verlässlichkeit und Kompetenz die Basis. Wir waren in den vergangenen Jahren mehr mit uns selbst beschäftigt, waren nach dem Cyberangriff auch stark beeinträchtigt, weil vieles nicht mehr funktionierte. Stellen Sie sich nur einmal vor, Sie gehen zum Kunden und müssen ihm wiederholt erklären, dass Sie zum zugesagten Termin nicht liefern können. Das war keine leichte Zeit.

Was sich aber gelegt hat, nehmen wir an.

Peter Edelmann: Ja, aus dieser Phase sind wir wieder heraus. Der Kunde ist für uns das Zentrum unseres Schaffens. Wir arbeiten nicht gegen den Wettbewerb, sondern für den Kunden. Wichtig ist uns das Vertrauen der Kunden, aber auch unserer Mitarbeitenden. Sie wissen, dass viele Mitarbeiter von SSI Schäfer weggegangen sind. Mein Eindruck ist, sie haben meistens nicht das Unternehmen verlassen, sondern die in dieser Phase sehr schwierige Situation. Und soll ich Ihnen etwas verraten?

Bitte schön!

Peter Edelmann: Einige kommen wieder, sie tragen das „gelbe“ Herz noch in sich und kehren zurück.

Dann also noch einmal zurück zur Frage: Wie möchte SSI Schäfer gesehen werden?

Peter Edelmann: Wie möchten wir also gesehen werden? Wir möchten als attraktiv gesehen werden, weil wir einen Mehrwert schaffen. Über diesen Mehrwert versuchen wir, unsere Attraktivität zu erhöhen und unser Geschäft zu sichern und auszubauen. Mehrwert für unsere Kunden, Mehrwert für unsere Mitarbeitenden und Mehrwert für unsere Gesellschafter. Ein Familienunternehmen ist nachhaltig. Das Wort wird sehr häufig gebraucht. Ich sage lieber „Enkel-fähig“. Ein Unternehmen bekommt man von seinen Vorgängern und muss es in einem besseren Zustand übergeben. Das tun Sie eigentlich nicht für sich, sondern für die Nachkommen.

Dann sind wir eigentlich schon bei den Zielen – kurzfristige und mittelfristige. Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?

Peter Edelmann: Wir wollen das Vertrauen unserer Kunden erneuern, das Beziehungsnetzwerk wieder etablieren und innerhalb von SSI Schäfer die Zusammenarbeit im gesamten Unternehmen orchestrieren und so gestalten, dass es uns Freude bereitet, einen Mehrwert für den Kunden zu schaffen. Wenn man dem Kunden zuhört, weiß man genau, was zu tun ist. Manchmal sieht man den Kunden, wie er sich selbst nicht sieht, und das ist das Ideale. Beratung ist der Kern unseres Geschäfts, und das fußt auf Kompetenz und Vertrauen. Wenn der Kunde weiß, dass er ohne Vorbehalte unterstützt wird, dass wir da sind, wenn er uns braucht, und wir seine Prozesse so verstehen, dass er sich gut aufgehoben fühlt, dann schafft das Vertrauen. Wir sind ja keine „Maschinenverkäufer“, sondern erarbeiten Lösungen.

Kommen wir zu Ihnen, Mauro Lunardelli, und dem Bereich Logistics Solutions. Das hat ja heute auch fast jeder über seiner Tür stehen. Wenn Sie dies bitte ein wenig untermauern können.

Mauro Lunardelli: Logistics Solutions ist der größte Geschäftsbereich in der SSI Schäfer Gruppe, mit enorm großem Potenzial; ein Geschäftsbereich, der international die höchste Strahlkraft hat. Aber ich möchte noch etwas ergänzen zu dem, was Peter Edelmann gesagt hat: Nach der schwierigen Phase, die wir überstanden haben, sind weitere wichtige Punkte, die wir angehen, die Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit gegenüber unseren Kunden. Der Geschäftsbereich ist im Moment sehr wichtig für die gesamte Gruppe, und deswegen investieren wir viel Geld auch in Messen wie die Logimat, um unsere Lösungskompetenz und unsere attraktiven Kundenangebote zu präsentieren und unseren Kunden zu begegnen.

Peter Edelmann: Auch für mich ist dieser Geschäftsbereich sehr wichtig, weil er der Inkubator für neue Ideen ist. Das wird deutlich, wenn Sie einmal vor den gigantischen Logistikanlagen standen, die wir gebaut haben. Ist ja irre, was da alles an Bewegung, Dynamik, Intelligenz und Steuerung drin ist. Diese Riesenprojekte faszinieren jeden, der sie in Bewegung erlebt. Das ist ein Bereich mit großen Kunden, die weltweit agieren, mit Projekten, wo man alles auf den Punkt organisieren muss, in einem Land, wo man sich zwar in der Niederlassung auskennt, aber man die Montagen organisieren muss, die Baustellen und so weiter. Das ist schon fast wie ein großes Abenteuer, bei dem sich am Ende alles fügen und präzise und zuverlässig funktionieren muss.

Die nächste Frage können Sie sich sicherlich denken: Beispiele bitte.

Peter Edelmann: Nehmen wir Asko, nehmen wir Haribo, nehmen wir Apotea etc. – hier möchte ich eigentlich keinen auslassen!

Mauro Lunardelli: … oder beispielsweise einige der großen Einzelhändler. Das ließe sich beliebig fortsetzen. Wir haben aktuell in Europa das größte Projekt in der Geschichte von SSI Schäfer. Aber es folgen noch größere. Die Dimensionen dieser Projekte zeigen auch, wie sich die Gesellschaft wandelt. Diese Größenordnungen sind ein Spiegel dessen, was die Gesellschaft von der Intralogistik erwartet. Das zieht softwaretechnisch sehr große Herausforderungen nach sich. Wenn hier etwas nicht funktioniert, wäre das folgenschwer. Was SSI Schäfer hier leistet, ist die Kür, die man sich in der Intralogistik vorstellen kann. Es gibt nicht viele Unternehmen, die das können.

Die Meinung, Sie realisieren vorzugsweise Großprojekte, stimmt also?

Peter Edelmann: Nein. Diese großen Projekte sind eigentlich Prozesslernfelder. Was wir da realisieren, ist kumulierte Erfahrung. Und wenn man dieses Prozess-Know-how übernimmt, begleiten wir die Kunden auf ihrer Automatisierungsreise. Von diesen großen Projekten kann man vieles übernehmen und auf die kleinen Unternehmen transferieren. Wir schätzen kleinere Projekte sehr, weil sie uns die Stabilität bringen. Wir fragen nicht, ob Kunden groß oder klein sind, sondern ob wir etwas für sie tun können, ob wir Mehrwert generieren können. Wer den Pfennig nicht ehrt, ist die D-Mark nicht wert, haben wir früher gesagt.

Das fordert regelrecht folgende Frage heraus: Wieviel Großprojekte kann man sich eigentlich leisten, um die Kleineren, sagen wir, nicht zu verprellen?

Peter Edelmann: Wir können uns als SSI Schäfer mit knapp zwei Milliarden Umsatz nicht zu viele Großprojekte leisten. Sie müssen jedes Projekt voll konzentriert abarbeiten. Wenn eine Anlage zu spät in Betrieb geht, kann dies auf Seiten des Kunden großen Schaden verursachen. Deswegen glaube ich, ist Vertrauen in unsere Zuverlässigkeit viel wichtiger als Innovation. Bei Großprojekten sollte man das Thema Innovation ohnehin nicht zu weit treiben. Hier muss man ganz sicher sein können, dass alles funktioniert. Das ist die Herausforderung. Wir müssen das Projekt in der Qualität und in dem Budget realisieren, wie wir es geplant und angeboten haben, damit das Vertrauen des Kunden gerechtfertigt wird und wir später von diesem zufriedenen Kunden ein weiteres Projekt anvertraut bekommen.

Mauro Lunardelli: Und wenn der Kunde sagt, ihr habt meinen Traum von einem Logistikzentrum realisiert, dann ist das großartig. Aber wir müssen trotz unseres Stolzes auf diese Leistung auf dem Boden bleiben und kontinuierlich daran arbeiten, mit aller Zuverlässigkeit und Vorsicht unsere Grenzen herauszufordern und zu lernen.

Trotzdem geht es nicht ohne Innovation. Wenn Sie einiges aufzählen könnten, was gerade aktuell im Köcher ist.

Mauro Lunardelli: Zum Beispiel SSI Piece Picking, unser high-speed Kommissionierroboter für die Einzelstückkommissionierung. Dabei handelt es sich um eine komplett aufeinander abgestimmte Gesamtlösung, mit der wir zeigen, wir haben hier etwas, das sich klar abgrenzt. Und wir liefern nicht nur die innovative Robotik, sondern die ganzheitliche, effiziente Kundenlösung.

Peter Edelmann: Wenn Sie diese Piece Picking Zelle nehmen, dann haben wir von der Robotik, Automatisierung bis hin zur KI alles integriert, was Sie im Grunde genommen an Innovationsfeldern ansprechen würden. Innovation bedeutet nicht, wir machen KI. Nein, wir nutzen KI, um damit Anwendungsnutzen für den Kunden zu schaffen. Nehmen wir einmal unser neu gegründetes Start-up Supply Brain: Hier wird KI eingesetzt, um unter anderem präventive Wartung zu ermöglichen. Die KI hat also eine Aufgabe, und die Innovation ist somit ein Mittel zum Zweck und nicht Zweck an sich. Innovation schafft Kundennutzen. Ideal wäre, wenn wir etwas schaffen, was ein anderer nicht schafft. Die Verteidigungsfähigkeit einer Innovation ist in der Logistikbranche aber sehr schwierig, weil alle am gleichen Thema intensiv forschen und arbeiten. Die Kunst ist es, immer einen Schritt voraus zu sein.

Jeder Stand auf der Logimat scheint gefühlt ein FTS zu haben. Ein solches herzustellen ist das eine. Das andere ist: Es muss ja im System funktionieren.

Mauro Lunardelli: Das ist die große Herausforderung. Die Lösung muss schlussendlich zuverlässig sein. Unseren Kunden geht es um den optimalen Planungshorizont: wie kreiere ich meine Chargen, wie sehe ich meine Materialflüsse. Wenn man hier alles richtiggemacht hat, ist das eine massive Unterstützung für die Kunden im Tagesgeschäft.

Peter Edelmann, Sie sprachen vorher das Thema Forschung kurz an. Mit dem Fraunhofer-Institut in Dortmund gibt es ja eine entsprechende Kooperation. Was läuft da aktuell?

Peter Edelmann: Wir sind im Grunde genommen hier im gesamten Intralogistikbereich unterwegs. Früher wollte SSI Schäfer immer alles selbst machen. Was wir nicht haben, kaufen wir, integrieren wir, übernehmen wir. Heute setzen wir mehr darauf, passgenaue Kooperationsnetzwerke zu entwickeln und zu pflegen. Dazu zählt beispielsweise das Fraunhofer-IML Dortmund, aber auch andere Institute weltweit. Man kann nicht alles selbst besitzen, man muss sich auch auf andere verlassen, die nicht zum eigenen Unternehmen gehören. Wir haben zum Beispiel die Integration unserer Tochterunternehmen DS Automotion, Ro-Ber und Swan nicht voll durchgezogen und sie quasi „gelb eingefärbt“, sondern wir lassen sie bewusst frei am Markt agieren.

Mauro Lunardelli: Als Familienunternehmen sind diese Beziehungsnetzwerke auch mit den kleinen und mittelständischen Unternehmen ganz wichtig. Einige haben vielleicht in der Vergangenheit das Gefühl gehabt, wir hätten kein Interesse mehr, aber das ist absolut nicht der Fall.

Wo geht die Reise hin in den kommenden zwei, drei Jahren?

Peter Edelmann: Wir möchten, dass unsere Kunden sagen: SSI Schäfer ist wieder da! SSI Schäfer kämpft für uns! SSI Schäfer bringt Lösungen, denen wir vertrauen können! Und nicht zuletzt, dass unsere Mitarbeiter und Gesellschafter stolz auf das Unternehmen sind. Letztlich wollen wir mit Zuversicht nach vorne schauen. Ich möchte in drei Jahren zurückblicken und sagen, das Unternehmen ist ein großes Stück attraktiver und stabiler geworden als zu dem Zeitpunkt, zu dem ich meine Aufgabe als CEO übernommen habe. Sie sehen ja, ich bin nicht mehr der Jüngste, aber ich arbeite für die nächste Generation. Ich möchte SSI Schäfer „Enkel-fähig“ gestalten.

Meine Herren, herzlichen Dank für das Gespräch!

"Ein wichtiger Punkt ist Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit gegenüber den Kunden, aber auch uns selbst gegenüber."

Mauro Lunardelli, Leiter Geschäftsbereich Logistics Solutions bei SSI Schäfer über Kundenbeziehungen

 

"Wenn man dem Kunden zuhört, weiß man genau, was zu tun ist."

Peter Edelmann, CEO bei SSI Schäfer über seine Unternehmenspolitik  

Jan Kaulfuhs-Berger

Chefredakteur, Zeitschrift Technische Logistik - Hebezeuge Fördermittel
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· Artikel im Heft ·

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Seite 6 bis 9
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