Wellness für das RBG
„Solange es nicht um eine deutliche Leistungssteigerung der Anlage geht, kann die Verfügbarkeit von Regalbediengeräten am besten über ein gezieltes Retrofit abgesichert werden“, sagt Jürgen Dönges, Geschäftsführer der TELOGS GmbH im hessischen Wettenberg. Häufig werde Retrofit allerdings nicht unbedingt mit einem auf lange Sicht gesteigerten Mehrwert verbunden, sondern vielmehr eher als Belastung empfunden: „Aus der Sicht des Betreibers fallen die mit einem Retrofit verbundenen Kosten zunächst einmal nur an, weil bestimmte Ersatzteile nicht mehr lieferbar sind. Andererseits sinkt mit zunehmendem Alter des Gerätes nach und nach auch dessen Verfügbarkeit, ohne dass die Auswirkungen unmittelbar sichtbar wären. Retrofit stellt die volle Leistungsfähigkeit und nicht zuletzt auch die Sicherheit der RBG-Systeme wieder her, und darin liegt letztlich auch der Mehrwert.“ Der Erfolg eines RBG-Retrofit-Projektes hängt für Jürgen Dönges entscheidend davon ab, dass alle Abläufe im Vorfeld minutiös geplant und die für notwendige Montagearbeiten vorgesehenen Zeitfenster präzise eingehalten werden. Als Spezialist für anspruchsvolle Systeme der Intralogistik verfügt TELOGS aus Hunderten von Retrofit-Vorhaben zwar über die entsprechende Erfahrung; in der Praxis wird das Team von Dönges aber trotzdem immer wieder mit Ausgangssituationen konfrontiert, die von Projekt zu Projekt variieren. Zum Beispiel, als TELOGS das Retrofit von RBG-Systemen der BPW Bergische Achsen KG übernahm.
Mangel an Ersatzteilen gefährdet Lagerverfügbarkeit
Die BPW KG entwickelt und produziert als Familienunternehmen seit 1898 am Stammsitz in Wiehl komplette Fahrwerksysteme für Lkw-Anhänger und -Auflieger. Zu den Technologien der BPW gehören unter anderem Achssysteme, Bremsentechnologie, Federung und Lagerung. Die Trailerachsen und -Fahrwerksysteme made by BPW sind weltweit millionenfach im Einsatz. Ein umfangreiches Dienstleistungsspektrum bietet Fahrzeugherstellern und -betreibern darüber hinaus die Möglichkeit, die Wirtschaftlichkeit in ihren Produktions- bzw. Transportprozessen zu erhöhen. Bei der Planung der RBG-Instandhaltung für eines der beiden in Wiehl vorhandenen Palettenlager stellte sich heraus, dass BPW in absehbarer Zukunft ein Problem mit der Ersatzteilversorgung im Bereich der Antriebs- und Steuerungstechnik bekommen würde. Immerhin wurden die jeweils 11,5 Meter hohen und auf einer Gassenlänge von 59 Meter eingesetzten RBG (zwei Gassen einfachtief, eine Gasse doppeltief) bereits im Jahr 2005 installiert; insbesondere die elektronischen Komponenten waren trotz einwandfreier Funktion aber inzwischen weit vom Stand der Technik entfernt und sollten im Retrofit ausgetauscht werden. Denn eine mangelhafte Sicherheit der RBG-Ersatzverteilversorgung ist nicht nur für BPW gleichbedeutend mit einer akuten Gefährdung der Lagerverfügbarkeit und damit der betrieblichen Prozesse insgesamt.
Standardisierte Komponenten beugen Ausfällen vor
„Der Vorteil der Langlebigkeit eines RBG ist leider immer häufiger mit dem Nachteil verbunden, dass Ersatzteile seltener zur Verfügung stehen oder die ursprünglichen Lieferanten schlicht gar nicht mehr existieren“, erklärt Jürgen Dönges die Problematik. Indem TELOGS vorrangig Siemens-Produkte für die RBG-Steuerung und SEW-Komponenten für die Antriebstechnik einsetzt, könne dieses Risiko allerdings für die Zukunft weitgehend ausgeschlossen werden: „Wir nutzen nur standardisierte und am Markt frei verfügbare Komponenten, die bei Bedarf problemlos gegen Nachfolgeprodukte ausgetauscht werden können“, stellt Dönges fest. Der Übergang kann im Einzelfall aber erst einmal mit zusätzlichem Aufwand verbunden sein, zumal der Datenaustausch zwischen Regalbediengerät und dem übergeordneten Host-System als kritische Hürde gilt. Denn die Übertragung der Schaltbefehle erfolgt nicht etwa über eine standardisierte Schnittstelle, vielmehr muss die entsprechende Software je nach vorhandener IT-Struktur dem eingesetzten Materialflussrechner oder dem LVS erst individuell angepasst werden. „Das physikalische Umfeld der Steuerung ist in der Regel über Feldbus-Netzwerke wie Profinet genormt, für die zu übertragenden Inhalte gilt das aber leider nicht“, so Jürgen Dönges. Im konkreten Fall des Retrofit-Projektes bei BPW erwies sich die Dokumentation der Schnittstelle zum Materialflussrechner als unvollständig. Die Datenstruktur musste daher erst einmal umfassend analysiert werden, bevor im Rahmen der vorbereitenden Softwarekonstruktion (SPS-Programmierung) seitens TELOGS ein aktualisierter Steuercode aufgesetzt werden konnte. Die vorhandene Hardware SIMATIC IPC ersetzte TELOGS sodann durch ein modernes System vom Typ SIMATIC S7 S7-1515F, beide aus dem Hause Siemens. Als RGB-Steuerung dient nunmehr die von TELOGS entwickelte Lösung „Distance“, die das RBG-Handling erleichtert und über die permanente Optimierung aller Hub- und Fahrbewegungen den Energiebedarf der Anlage um bis zu 25 Prozent reduziert.
Sicherheitstechnik immer mit im Blick
Von Software-Anpassungen abgesehen, zählt auch der Ausführungsstand der Sicherheitstechnik regelmäßig zu den Unwägbarkeiten eines RBG-Retrofit-Projektes. Obschon in den Leistungsanforderungen des Auftraggebers nicht explizit erwähnt, offenbart die Bestandsaufnahme im Vorfeld einer Modernisierung daher zuweilen Handlungsbedarf in Bereichen, die eigentlich gar nicht berücksichtigt werden sollten. Im Falle von BPW lautete die Anforderung zunächst, dass Motor und Getriebe vom Retrofit ausgenommen sind.
„Verständlicherweise versucht jeder RBG-Betreiber, den Aufwand im Retrofit sowie damit verbundene Kosten und Umbauzeiten so gering wie möglich zu halten“, sagt TELOGS-Geschäftsführer Dönges. „Wenn wir allerdings feststellen, dass über die konkreten Anforderungen hinaus auch die Sicherheitstechnik nicht mehr dem aktuellen Stand entspricht, können wir das nicht einfach unberücksichtigt lassen.“ Im konkreten Fall fehlte es den RBG-Systemen von BPW an der Möglichkeit, als Schutz vor Personenschäden die Geschwindigkeit auch im Handbetrieb sicher abfragen zu können. „Die Sicherheitsvorschriften werden kontinuierlich weiterentwickelt, und gerade bei langjährig betriebenen Anlagen entstehen dann unbeabsichtigt immer wieder mehr oder weniger große Lücken“, so Dönges. Über die Nachrüstung von Drehgebern inklusive Einbindung in die Steuerungssoftware TELOGS Distance konnte die Lücke an dieser Stelle aber vergleichsweise einfach geschlossen werden.
Viel Vorarbeit für eine kurze Umbauphase
Unter dem Strich bedeutet RBG-Retrofit einen intensiven und zeitaufwändigen Vorlauf, damit das Finale der eigentlichen Montage- und Inbetriebnahmearbeiten möglichst knapp gehalten werden kann: Um den tatsächlichen Stillstand der Anlagen von BPW auf insgesamt nur wenige Tage zu begrenzen, nahmen die Vorbereitungen von der Projektplanung bis hin zur Fertigstellung der Schaltschränke einen Zeitraum von gut einem Jahr in Anspruch. „Indem wir die Umbauphase auf Wochenenden oder betriebliche Randzeiten konzentrieren und jeweils nur ein RBG zurzeit bearbeiten, macht sich der vorübergehende Ausfall im betrieblichen Ablauf bestenfalls gar nicht weiter bemerkbar“, fasst Jürgen Dönges zusammen. „Und danach laufen die Regalbediengeräte einfach wie gewohnt weiter, als wäre gar nichts geschehen.“ (jak)
Eine Information der TELOGS GmbH
Projektdaten
Retrofit 3 Gassen Palettenlager
BPW Bergische Achsen KG
Zulieferer der Nutzfahrzeugindustrie sowie Mobilitätsdienstleister der Transport- und Logistikindustrie.
Januar 2020 bis April 2021
Verfügbarkeit und Betriebssicherheit sicherstellen
TELOGS GmbH
Redaktion (allg.)
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