Turbo für die Logistik
Der branchenübergreifende Individualisierungstrend treibt den Shift von der klassischen Fertigungsstrecke hin zur modularen, flexiblen Fertigung – und damit flexiblen Logistik. Denn um individuelle Kundenwünsche in geringen Chargen bis hin zur Losgröße 1 zu erfüllen, müssen unterschiedliche Kombinationen von Arbeitsschritten und Prozessmaschinen innerhalb einer Fertigung möglich sein. Mit der Verbreitung der E-Mobilität setzt vor allem die Automobilindustrie auf flexible Fertigungskonzepte, um die geforderte Produktvarianz zu realisieren.
Aber auch Medizintechnik- und Pharmaunternehmen gestalten ihre Fertigung zunehmend flexibel. Diese Produktionsweise setzt intelligente Transportlösungen voraus, um die einzelnen Arbeitsstationen sinnvoll zu verbinden. Denn wenn der Prozessfluss stockt oder schlimmstenfalls Maschinen mangels Materialien zum Stillstand kommen, leidet die Gesamteffektivität – und damit die Wertschöpfung.
Autonome mobile Roboter (AMR) sind in der Lage, Materialien, Teile und Werkzeuge schnell und präzise zwischen verschiedenen Prozessschritten zu transportieren. Ihre Einsatzmöglichkeiten reichen, um nur einige zu nennen, vom Wareneingang über die Linien- und Zellenbeschickung bis hin zum Palettentransport. Entlang der gesamten Prozesskette beschleunigen AMR die Materialbewegung, reduzieren die Taktzeit und erhöhen so die Effektivität eines Fertigungsbetriebs. Mit einer derart „durchgetakteten“ Fertigung können Unternehmen eine höhere Produktvarianz mit kleineren Losgrößen flexibel abbilden.
Vor diesem Hintergrund verwundert es wenig, dass der Markt für Fahrerlose Transportsysteme (FTS) und AMR seit einigen Jahren boomt. Laut Prognosen von „Logistics IQ“ wird der Wert des AMR- und FTS-Marktes bis zum Jahr 2027 rund 18 Milliarden US-Dollar betragen. Bis zu diesem Jahr werden AMR und FTS laut der Marktforschungsstudie die Marke von 2,4 Millionen installierten Einheiten überschreiten.
Intelligente AMR-Disposition in der Smart Factory
Für eine möglichst effektive Materialversorgung „just in time“ oder „just in sequence“ muss die AMR-Flotte intelligent disponiert werden. Dazu bietet sich eine Schnittstelle zwischen dem Manufacturing Execution System (MES) und dem Flottenmanagementsystem der AMR an. In diesem Fall meldet eine Maschine ihren Materialbedarf an das MES. Das MES reichert diese Anforderung mit Zusatzinformationen wie dem exakten Liefertermin an. Anhand des so entstandenen digitalen Transportauftrags kann die Flottenmanagementsoftware verfügbare AMR vorausschauend disponiert werden. Durch das Scannen von Barcode- oder RFID-Tags an den verschiedenen Arbeitsstationen und Objekten stellen die Fahrzeuge sicher, dass sie die richtige Fracht fehlerfrei an die richtige Stelle transportieren.
Für eine lückenlose Kommunikation zwischen dem AMR und dem Flottenmanagementsystem ist eine ebenso lückenlose WLAN-Abdeckung auf dem gesamten Lager- oder Fabrikgelände ausschlaggebend – damit der AMR nicht in einem „Bermudadreieck“ ohne Netz verschwindet. Entscheidend für einen reibungslosen Ablauf ist außerdem das Ladeverhalten der Fahrzeuge. Überspitzt gesagt: Ein AMR darf nicht auf halber Strecke umkehren müssen, weil seine Software bei einem Akkuladestand von unter 20 Prozent zwingend einen Besuch der Ladestation vorschreibt. Intelligente AMR-Systeme disponieren Fahrzeuge entsprechend und legen die Ladezeiten in die Zeiten, wenn die Pipeline nicht mit Transportaufträgen voll ist. So werden Engpässe und Stillstände vermieden. Auch die Batterielebensdauer wird durch intelligentes Lademanagement verbessert.
Sichere und intelligente Navigation von AMR
Je intelligenter die Navigation eines AMR, desto höher der Freiheitsgrad und somit die Flexibilität des Systems. Traditionelle, spurgeführte Systeme fahren festgelegte Strecken auf einer Magnetspur oder einer virtuellen Spur ab. Mehr Intelligenz in die Navigation bringt SLAM (Synchronized Localization and Mapping) – die fortgeschrittenste Entwicklungsstufe der AMR-Navigation und Basis für die sogenannte „natürliche Navigation“. Bei dieser Lokalisierungsmethode „kennt“ der AMR eine virtuelle Karte der Umgebung – inklusive Wege, Referenzpunkte und Übergabestationen, sogenannter Goals. Um den optimalen Weg zum Goal zu ermitteln, gleicht der AMR die Kontextinformationen auf der Karte laufend mit Echtzeit-Laserdaten seiner Umgebung ab, die von einem „LiDAR“-Laserscanner generiert werden. So spürt der AMR frühzeitig Hindernisse wie Menschen oder Paletten auf und kann seine Route bedarfsgerecht optimieren („Obstacle Avoidance“). Wenn sich Elemente in der Umgebung verändern oder verschieben – etwa durch die Installation neuer Maschinen – müssen die referenzierten Karten entsprechend aktualisiert werden.
Wie für kollaborative Roboter (Cobots) gilt auch für AMR: Je höher ihr Freiheitsgrad, desto mehr Sicherheitsvorkehrungen müssen auf Hardware- und Software-Ebene getroffen werden, um Unfälle zu vermeiden. So helfen beispielsweise Sicherheits-Laserscanner und Sensoren in den Stoßstangen und Gabelspitzen in Kombination mit Warnsystemen und einer Sicherheitssteuerung, Kollisionen zwischen AMR und Objekten oder gar Menschen zu vermeiden. Genaue Sicherheitsanforderungen auch für AMR definiert die Norm DIN EN ISO 3681-4 „Flurförderzeuge – Sicherheitstechnische Anforderungen und Verifizierung – Teil 4: Fahrerlose Flurförderzeuge und ihre Systeme“.
State of the art in der AMR-Logistik
Eine Logistik wie ein Uhrwerk, modular und flexibel – dies ist die Vision des Automatisierungsspezialisten ABB Robotics. Durch die Akquisition des AMR-Experten ASTI Mobile Robots im Jahr 2021 deckt ABB eigenen Angaben zufolge das komplette Automatisierungsspektrum aus einer Hand ab: Industrieroboter, Cobots und mit der „Flexley“-Familie nun auch AMR.
Mehr Flexibilität und höhere Performance insbesondere in Logistik-Anwendungen verspricht die Modellreihe „Flexley Mover“. Die mobilen Roboter dieser Reihe transportieren problemlos Ladungsträger unterschiedlicher Formate – von der Europalette bis hin zu einem voll bestückten Regal. Sie orientieren sich mithilfe von 2D-SLAM-Navigation auf Basis von „LiDAR“-Laserscannern im Raum. Die mobilen Roboter der „Flexley-Mover“-Familie spielen ihre Stärken in der Kommissionierung und Einlagerung aus, aber auch bei der Materialbereitstellung oder der Beschickung von Roboterzellen. Die Familie „Flexley Stack“ zeigt indes, wie viel Intelligenz in einem fahrerlosen Gabelstapler stecken kann. Die Roboterstapler sind für den sicheren Mischbetrieb zwischen Menschen und Maschinen ausgelegt. Intelligente Sensorik sorgt hier für Präzision und Sicherheit.
Neben den technischen Spezifikationen der Roboter macht vor allem das tiefe Prozessverständnis ABB zu einem verlässlichen Partner für unterschiedliche Automatisierungsszenarien. Denn nicht jeder Prozess eignet sich für eine Automatisierung. Gefragt ist also die Prozessexpertise und Kreativität, bestehende Intralogistik-Prozesse zu analysieren und neu zu denken, statt sie lediglich mit Robotern und anderen Automatisierungslösungen zu replizieren. Mit ihrer Prozessexpertise helfen ABB-Experte ihren Partnern, die Investitionskosten auf lange Sicht zu senken – durch schlanke, zeitgemäße Prozesse und eine sinnvolle Ausschöpfung der vorhandenen Fläche.
Fokus auf Bedienerfreundlichkeit
Eine weitere Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von AMR ist die entsprechende Qualifikation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, damit sie AMR-Flotten sicher steuern können. Hier bietet sich Arbeitgebern verschiedenster Branchen die Chance, die Attraktivität der Arbeitsplätze durch spannende, wertige neue Aufgabengebiete zu steigern. Wenn Maschinenführende sich zudem nicht den Kopf über Transport und Materialfluss zerbrechen müssen, können sie sich auf die Optimierung der Kernprozesse in der Produktion konzentrieren. Um diesen Kompetenzaufbau zu unterstützen, liegt ABB in seinem gesamten Lösungsportfolio größten Wert auf Bedienerfreundlichkeit, aufschlussreiche Dokumentation und lückenlosen Support. (jak)
Redaktion (allg.)


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