Innovativ aus Tradition
Zumindest Holz gab es immer reichlich im einst bitterarmen Schwarzwald. Und findige Tüftler. Das prominenteste Ergebnis dieser Kombination ist die weltweit bekannte Kuckucksuhr. Tatsächlich prägen Möbelindustrie und Maschinenbau bis heute das Gesicht der wirtschaftlich erfolgreichen Region.
Ein typischer Vertreter dieser mittelständischen Innovationskultur ist auch die Plocher Möbelelemente GmbH mit Sitz in Vöhringen ganz am östlichen Rand des Schwarzwalds: 1953 als einfache Möbelschreinerei gegründet, hat sich das familiengeführte Unternehmen längst zum international aktiven Anbieter individueller Lösungen für die Möbelindustrie mit 100 Mitarbeitern entwickelt. Das Portfolio der Firma reicht von Schubkastenzargen, Traversen und Sockeln über Möbelprofile bis hin zu kompletten Möbelsystemen. Und das durchaus im großen Stil: So werden beispielsweise jede Woche 250.000 Laufmeter ummantelte Profile produziert und täglich verlassen um die 1.000 Pakete das Werk.
Partnerschaft mit Mutz Maschinenbau
Selbstverständlich lassen sich solche hohen Durchsätze nur mit entsprechenden Maschinen und Anlagen realisieren.
An dieser Stelle kommt die Mutz Maschinenbau GmbH ins Spiel – ein weiterer „mittelständischer Tüftlerbetrieb“, wie sich die Firma ganz offiziell vorstellt. Spezialisiert hat sich der Familienbetrieb aus Dornstetten im Kreis Freudenstadt auf Automatisierungs- und Linearsysteme für die Holz- und Kunststoffbearbeitung sowie für die Isolierstoffherstellung.
Zum breiten Kundenstamm gehört auch Plocher Möbelelemente. „Unsere Zusammenarbeit besteht schon viele Jahre“, blickt Projektleiter Jonathan Mutz auf die gemeinsame Geschichte der beiden – nur gut 30 Kilometer voneinander entfernten – Unternehmen zurück.
So lag es nahe, dass sich die Verantwortlichen bei Plocher Möbelelemente auch mit einer neuen Herausforderung an Jonathan Mutz und seine Kollegen wandten: Konkret suchten sie nach einer automatisierten Lösung zum Handling von ummantelten Zargenteilen. Diese sollten nach der Bearbeitung auf einer Palette abgestapelt werden.
Als besondere Schwierigkeit müssen dabei zur Stabilisierung des Stapels um 90 Grad verdrehte Papierstreifen zwischen die einzelnen Lagen eingelegt werden, was komplexere Stapelbilder erfordert. Zudem handelt es sich um eine große Vielfalt an Teilen von 200 bis 2.800 Millimeter Länge, teilweise mit eingebrachten V-Nuten. Diese Nuten erfordern für jede Bauteilgröße einen separaten Greifer.
Lösung mit Handlingroboter
Mutz Maschinenbau löste diese komplexe Aufgabenstellung durch den Einsatz eines Industrieroboters. Für Plocher Möbelelemente war das eine Premiere, die allerdings schnell überzeugte: Nachdem 2020 die erste roboterbasierte Handlinganlage in Betrieb gegangen war, folgte ein Jahr später bereits die zweite. Beide Anlagen übernehmen ähnliche Aufgaben und unterscheiden sich nur in Details, zum Beispiel durch den Aufbau der jeweiligen Greifer.
In jeder Zelle arbeitet ein Handlingroboter aus der Motoman GP-Serie von Yaskawa. Der Roboter greift einzelne oder auch mehrere Teile von einem Pufferriemen und legt diese entsprechend dem vorgewählten Stapelbild auf der Palette ab. Hierbei sind verschiedene Vorgaben möglich wie etwa Längsstapel, Querstapel, zwei Stapel hintereinander oder auch Stapel verschiedener Höhen. Über einen Tastzylinder am Greifer wird die Höhe jeder Lage über die Position durch den Roboter gemessen. So lässt sich beim Stapeln ein eventueller Summenfehler ausgleichen oder nach einem Abbruch die jeweils genauen Stapelhöhe feststellen. Zudem wird so erkannt, wie viele Teile schon auf einer angefangenen Lage liegen.
Auch bei der Qualitätsprüfung kommt der Roboter zum Einsatz: In diesem Fall übernimmt er auf Anforderung durch den Bediener ein Werkstück und platziert es auf dem Probeteilriemen zur Inspektion. Beim Querstapel werden die Pappstreifen vom Roboter einzeln gegriffen und auf die entsprechenden Lagen gelegt.
Wegen des großen Teilespektrums und der vielfältigen Werkstückgeometrien hat der Roboter verschiedene Greifer zur Verfügung, die er entsprechend der Teileabmessungen auswählt und wechselt. Die zweite Roboterzelle ist mit einem verstellbaren Greifer ausgestattet, der an die unterschiedlichen Werkstücke angepasst werden kann.
Bewusste Entscheidung für Yaskawa
Die Entscheidung für Yaskawa als Hersteller war schnell getroffen: „Wir setzen seit über 20 Jahren auf Motoman-Roboter“, erklärt Jonathan Mutz. „Motoman passt am besten zu uns, vor allem Bedienung und Service sind einfach top!“, ergänzt der Projektleiter und verrät: „Unsere erste Anlage mit einem Motoman-Roboter haben wir 2001 realisiert. Dieser läuft heute noch ohne Probleme, wird aber im nächsten Jahr durch die neue Roboter-Generation abgelöst.“
Konkret fiel die Wahl der Experten von Mutz Maschinenbau für beide Anlagen auf das Robotermodell Motoman GP35L. Es überzeugt nicht nur durch einen für diese Anwendungen optimalen Tragkraftbereich bis 35 kg, sondern auch durch einen extra langen Roboterarm mit einer maximalen Reichweite von 2,5 Meter.
„GP“ steht für „General Purpose“ und damit für vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Die Sechs-Achser sind in der hohen Schutzklasse IP67 ausgeführt, also besonders geschützt gegen Eindringen von Flüssigkeiten und Stäuben. Sie können damit unter rauen Arbeitsbedingungen eingesetzt werden und lassen sich sehr leicht reinigen.
Gesteuert wird der GP35L über die Yaskawa-Hochleistungssteuerung YRC1000, die wiederum über Schnittstellen in die Anlagen-SPS integriert ist. Die SPS übergibt die mit einem Scanner gelesenen Daten – wie Abmessungen, Stapelbilder oder Greiferwahl – an den Roboter. Ebenfalls steuert die SPS die Kommunikation zwischen Bearbeitungsmaschine, Roboter und Peripherie. Die Roboterjobs werden aufgerufen, und der Roboter führt diese mit den von der SPS empfangenen Positionen und Daten aus. Die gesamte Anlage inkl. Roboter und Peripherie wird einheitlich über ein HMI-Bedienfeld gesteuert. Über dieses können alle wichtigen Parameter – wie Geschwindigkeiten und Offsets der Roboterpositionen – eingestellt werden. So lassen sich kleine Korrekturen ausführen, ohne dass das Roboterprogramm geändert werden muss.
Roboter in der holzverarbeitenden Industrie
Mit den beiden neuen Roboteranlagen liegt Plocher Möbelelemente voll im Trend: „Nach unserer Erfahrung wird das Thema Robotik in der holzverarbeitenden Industrie immer wichtiger“, beobachtet Jonathan Mutz. „Roboter sind im Kommen, und die Kunden fahren regelrecht darauf ab – nicht nur auf die Technik und das Preis-Leistungs-Verhältnis, sondern auch auf Optik und Prestige dieser modernen Anlagen.“
Potenziale für eine roboterautomatisierte Automatisierung sieht Branchenexperte Mutz dabei vor allem in der Handhabung, aber auch in der Montage: „Gerade bei der komplexen Handhabung von plattenförmigen Werkstücken oder bei der Montage von Beschlägen und Korpussen gibt es viele Anwendungen, die mit einem Roboter einfach viel leichter umzusetzen sind.“ Diese Erfahrung hat auch Plocher Möbelelemente gemacht, wo die Robotik-Ära sicher noch nicht so bald zu Ende sein wird.
Alexander Luna Garcia, Alexander Luna Garcia, Sales GI Robots & Products, Yaskawa Europe GmbH, Robotics Division, Allershausen
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