Orientierungshilfe im Lagerdschungel

Lagerautomation mit AKL, Autostore, Shuttle & Co.: Welche Lösung passt am besten?

Das Angebot an intralogistischen Lösungen wird immer umfangreicher. Das zeigte sich jüngst auf der Logimat-Messe in Stuttgart: Neben bewährten und weiterentwickelten Technologien waren auch neue Konzepte und Innovationen zu sehen. Wo liegen die Stärken und Schwächen der verschiedenen Lagerautomationslösungen und wie finden Unternehmen die passende Lösung für ihre Anforderungen? Der folgende Beitrag soll wichtige Kriterien für die Systemauswahl im Bereich der Automatischen Kleinteilelager (AKL) aufzeigen und so eine Entscheidungshilfe zur Automatisierung im Lager leisten.

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Hinter den mit Waldmotiven verkleideten Arbeitsplätzen steckt ein von Swisslog realisiertes „Autostore“-System mit 45 Robotern und 28.800 Bins inkl. Anbindung an den Versand­bereich beim Großhandelsunternehmen Comoli Ferrari in Italien Bild: Swisslog
Hinter den mit Waldmotiven verkleideten Arbeitsplätzen steckt ein von Swisslog realisiertes „Autostore“-System mit 45 Robotern und 28.800 Bins inkl. Anbindung an den Versand­bereich beim Großhandelsunternehmen Comoli Ferrari in Italien Bild: Swisslog

Im Rahmen der Konzeption und Planung eines Automatisierungsprojektes sollten zunächst alle Anforderungen und Ziele genau definiert werden. Dabei können schon zu große Abmessungen der Produkte und Umverpackungen ausschlaggebend dafür sein, dass einzelne Technologien nicht in die Systemauswahl einbezogen werden können.

Auch bei der maximal möglichen Zuladung pro Behälter gibt es Unterschiede. Während horizontale Umlaufregale bis 25 Kilogramm schwere Behälter handhaben können, liegt die Tragfähigkeit bei den gängigen Shuttle-Systemen ebenso wie beim Autostore zwischen 30 und 35 Kilogramm. Beim „PowerCube“ wirbt Jungheinrich mit einem Zuladegewicht von 50 Kilogramm.

„Aus unserer Erfahrung können wir das bei uns angefragte Spektrum an Lagerartikeln aus unterschiedlichsten Branchen insbesondere seit der Einführung der 425 Millimeter hohen Bins nahezu vollständig abdecken. Größere und schwere Artikel beziehungsweise Kartons werden eher auf Paletten gelagert“, sagt Florian Hoffmann, Business Development Director DACH/CEE sowie Geschäftsführer der Autostore System AT GmbH in Graz/Österreich.

Autostore bei Gebäuden bis zwölf Meter Höhe im Vorteil

Zu den weiteren Kriterien bei der Systemauswahl gehören die räumlichen Gegebenheiten der Immobilie, wie die Gebäudehöhe oder die Tragfähigkeit des Bodens. Unter Berücksichtigung dieser Angaben und dem systemspezifischen Platzbedarf lässt sich die Anzahl möglicher Lagerplätze pro Quadratmeter berechnen. Bei der Berechnung von Anlagengröße und Lagerfläche gilt es zu beachten, dass gassen- und regalgebundene AKL mit Regalbediengeräten oder Shuttles neben dem Raum für die Fahrgasse noch Platz für Lifte und eine Vorzone mit Fördertechnikloop zur Andienung an die Arbeitsplätze benötigen.

Das kompakteste Behälterlagersystem ist das Autostore. Durch die Lagerung der Systembehälter (Bins) ohne Regal direkt übereinander gestapelt im Block und sowie ohne eine zwingend notwendige Fördertechnikanbindung oder Vorzone erreicht das „Autostore“-System die höchste Lagerdichte aller AKL. Die Behälterstapel sind lediglich durch ein Aluminium-Gestell (Grid) getrennt, dass den Autostore-Robotern oberhalb der Bins als Fahrschiene dient. Die Maximalstapelhöhe beträgt je nach Behältergröße 5,40 Meter beziehungsweise 6,20 Meter. Dazu kommt die Arbeitshöhe für die Lagerroboter und gegebenenfalls Platz für eine Sprinkleranlage. Bei vorhandener Deckenhöhe lässt sich das Autostore-System durch die Installation einer Bühne auch über mehrere Ebenen installieren.

Vergleicht man Autostore mit einem dreifachtiefen Shuttle, dann folgt daraus: Erst ab einer Hallenhöhe von zwölf Metern kommt das Shuttle-System an die Lagerdichte eines Autostores heran.

Leistung und Skalierbarkeit im Vergleich

Für eine zukunftsgerichtete Anlagenkonzeption sollten für die Berechnung der benötigten Kapazität und Leistung neben aktuellen Ist-Daten auch verschiedene Prognosen und Wachstumsszenarien betrachtet werden. Dazu sollte bei der Technologieauswahl ein besonderer Fokus auf die Skalierbarkeit gelegt werden. Besonders gut anpassbar ist die Leistung bei Autostore und Shuttle-Lösungen, da beide Systeme durch die Ergänzung weiterer Roboter bzw. Shuttles einfach im laufenden Betrieb erweiterbar sind.

Jedoch wird die Ein- und Auslagerleistung bei allen Systemen, die einen Heber beziehungsweise Lift benötigen, von diesem limitiert. Bei hohen Durchsatzanforderungen werden deshalb mehrere Lifte pro Gasse installiert. Die Kommissionierleistung hängt unter anderem von der Auftragsbearbeitung (Single-Order/Multi-Order), der Arbeitsplatzausstattung, den Sequenzierungsmöglichkeiten des Systems sowie der Größe des Behälterpuffers in der Lagervorzone ab.

Autostore bietet vier verschiedene Arbeitsplätze an, die bis zu 650 Behälterandienungen pro Stunde ermöglichen. Die Durchschnittsleistung pro R5-Roboter gibt „Autostore“ bei einer klassischen ABC-Struktur mit rund 30 Behälterbereitstellungen pro Stunde an. Da jede Anlage vorab simuliert wird, kann somit genau bestimmt werden, wie viele Roboter für die individuelle ABC-Verteilung benötigt werden.

IT-Kosten und Energieverbrauch

Neben der Hardware spielt bei der System- und Anbieterauswahl auch die Software eine entscheidende Rolle. Autostore bietet verschiedene Standard-Schnittstellen (APIs) zur direkten Anbindung des Systems mit dem WMS des Kunden. Darüber hinaus können WMS-Entwickler mit dem Live-Simulator, die Prozesse rund um das „Autostore“-System testen, bevor die Hardware installiert ist. Auch Erweiterungen können somit innerhalb kürzester Zeit realisiert werden. Alternativ kann die Middleware (WCS) vom Intralogistik-Anbieter bereitgestellt und so eine gesamtheitliche IT-Integration ermöglicht werden. Zusätzliche Lizenz- und Wartungskosten sollten zusammen mit den Energie-, Betriebs- und Instandhaltungskosten in eine umfassende Gesamtkostenrechnung einbezogen werden.

Der Energieverbrauch von AKL-Systemen ist abhängig von der zu bewegenden Masse, weshalb Regalbediengeräte den höchsten Verbrauch aufweisen, auch wenn moderne Modelle inzwischen mit energieeffizienten Steuerungen und Systemen zur Rekuperation der Bremsenergie ausgestattet sind. Die leichteren Shuttlesysteme liegen im Vergleich auf Platz 2. Hinzugerechnet werden muss jedoch auch der Energiebedarf der Liftsysteme und Fördertechnik.

Einen sehr niedrigen Energieverbrauch haben „Autostore“-Systeme, da die Roboter im Betrieb durchschnittlich 100 Wattstunden verbrauchen und im Temperatur-Bereich von 2 bis 35 Grad Celsius auch keine Heizung, Klimaanlage oder Beleuchtung benötigen. Dazu braucht das System keine hohen Anlaufströme wie etwa Fördertechnik-Anlagen und Regalbediengeräte. Beim Abbremsen der Roboter oder Absenken der Behälter werden die Batterien der Roboter zwischendurch sogar immer wieder mit Strom versorgt (Rekuperation). Insgesamt liegt der Energieverbrauch für ein durchschnittliches Autostore (mit drei Conveyor Ports, sieben Carousel Ports, einem Controller und 40 R5-Robotern sowie 30 R5-Ladestationen) mit acht Betriebsstunden pro Tag und 250 Betriebstagen pro Jahr bei etwa 13.600 Kilowattstunden pro Jahr. Diese Leistung kann schon mit einer etwa 70 Quadratmeter großen durchschnittlichen Photovoltaikanlage erreicht werden.

Hohe Systemverfügbarkeit durch Zuverlässigkeit und Erfahrung

Klassische AKL mit Regalbediengeräten oder Shuttles sowie Heber und Fördertechnik sind in der Technik als auch in der Wartung aufwendig, weshalb viele Anwender kostenintensive Service-Verträge mit den Herstellern vereinbaren, um eine hohe Verfügbarkeit ihrer Anlage sicherzustellen. Autostore hat als vollständig modulares System keinen „Single Point of Failure“, da Störungen bei einzelnen Robotern, Ladestationen oder an einem Arbeitsplatz nicht zum Stillstand des Systems führen, sondern der Auftrag jederzeit von einem anderen Roboter ausgeführt oder an einem anderen Port bearbeitet werden kann. Die Betriebszeit ohne einen Stillstand des Systems gibt Autostore mit 99,6 Prozent an, wobei die übliche Wartung der Roboter vom Anwender selbst im laufenden Betrieb durchgeführt werden kann.

„Mit unserer Erfahrung aus über 900 Installationen in 40 Ländern investieren Unternehmen mit Autostore in eine zuverlässige und zukunftssichere Lösung. Zudem können wir durch unser breit aufgestelltes Partnernetzwerk von Integratoren vergleichsweise kurze Realisierungszeiten sicherstellen“, sagt Peter Bimmermann, Business Development Manager D/A/CH & CEE und Geschäftsführer der Autostore System GmbH.

Anja Seemann

freie Fachjournalistin
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· Artikel im Heft ·

Orientierungshilfe im Lagerdschungel
Seite 28 bis 31
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