Hochdynamisches Gesamtsystem
„Eine Geschichte mit Tradition und Zukunft“, diese Worte umschreiben trefflich die Entwicklung der Winterhalter + Fenner AG. Bereits im Jahr 1903 ging die A. Fenner + Cie. als erstes Elektro-Großhandelsunternehmen im Raum Zürich an den Start. Ein ähnlich geartetes Geschäftsmodell verfolgte Bruno Winterhalter, als er 1937 die Einzelfirma Bruno Winterhalter (BW) in St. Gallen gründete. Allerdings konzentrierte er sich anfänglich auf Autoersatzteile, Asbest- und Kautschukfabrikate. Die Aufnahme von „Elektromaterialien en gros“ in das Sortiment folgte wenige Jahre später und bewirkte, sich ab 1946 ausschließlich dem lukrativen Elektrogroßhandel zu widmen. Als Folge der strategischen Entscheidung, die Ressourcen und Kompetenzen der Bruno Winterhalter AG und der Fenner + Cie. AG zu bündeln, ist seit dem 1. Januar 1992 die Winterhalter + Fenner AG mit Hauptsitz in St. Gallen am Markt präsent.
Führend auf allen Kanälen
Stand heute ist das Unternehmen mit 14 Standorten in der Deutsch- und Westschweiz vertreten und gilt als einer der führenden Elektrogroßhändler des Landes. Vertrieben werden elektrotechnische Komponenten, Installationsmaterial, Produkte für Datennetzwerke sowie Photovoltaik-Anlagen. Mit den Tochtergesellschaften Dysbox SA, ElectroLAN SA und Fabbri SA bildet Winterhalter + Fenner die Sonepar Suisse.
Sonepar Suisse ist seit 2008 Teil der französischen Sonepar-Gruppe, weltweit die Nummer 1 im B2B-Elektrogrosshandel. Die fünf Gesellschaften treten seit dem 1. April 2020 mit einem neuen einheitlichen Erscheinungsbild unter dem Namen Sonepar Suisse AG auf dem Markt auf. Die Kunden von Winterhalter + Fenner haben die Möglichkeit, ihre Bestellungen praktisch über alle denkbaren Kanäle aufzugeben: per Mobile App, Web-Shop, Telefon, elektronischer Datenanbindung oder direkt im Elektrikerladen. Vernetzung und Digitalisierung sind folgerichtig zentrale Bestandteile der Unternehmens- bzw. Logistikstrategie. Auch der auf eine hohe Warenverfügbarkeit und Lieferqualität zielende Servicegedanke steht im Vordergrund.
Das neue, hochautomatisierte Zentrallager in Wallisellen versteht sich als operativer Unterbau und stellt einen bedeutenden Meilenstein im Rahmen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses dar. Als verantwortlicher Generalunternehmer für die Intralogistik wurde die Stöcklin Logistik AG beauftragt.
Bekenntnis zur Umwelt und Mut zu Innovation
Markant ist die mehrheitlich in Holzbauweise realisierte Konstruktion des 22 Meter hohen Hochregallagers (HRL). Ein derartiges, erstmals durch die Brühwiler AG Bauingenieure und Planer in der Schweiz umgesetztes Projekt setzt ein besonderes Engagement und den Willen zu Innovation voraus. „Nachhaltigkeit ist für uns keine leere Worthülse, sondern wird überall dort, wo möglich, gelebt“, sagt Benjamin Ertl, Leiter Supply Chain der Winterhalter + Fenner AG. „Die Erfahrungen haben gezeigt, dass verantwortungsvolles Handeln auf diesem Gebiet nicht automatisch zu Lasten der Wirtschaftlichkeit geht.“ So war es nur konsequent, auf dem Dach des Neubaus eine Photovoltaikanlage zu installieren, die den Eigenbedarf an Energie abdeckt. Darüber hinaus wurden die 18 Verladerampen im Untergeschoss angeordnet, sodass sowohl eigene Mitarbeiter als auch die nachbarschaftliche Umgebung keiner stetigen Lärmbelästigung ausgesetzt sind.
Zwischen dem symbolischen Spatenstich am 27. Februar 2018 und dem Go-Live des Automatiksystems am 25. Juni 2020 sind etwas mehr als zwei Jahre vergangen – eine durchaus als sportlich zu bezeichnende, von den Hand in Hand arbeitenden Projektteams erbrachte Leistung. Als Dank für die gute Zusammenarbeit ließ es sich Stöcklin nicht nehmen, Winterhalter + Fenner einige aus eigener Produktion stammende Handhubwagen zu überlassen. Denn gänzlich ohne konventionelle Lagertechnik bzw. Transportgeräte kommen auch die Betreiber hochautomatisierter Intralogistik-Systemlösungen, in diesem Fall das Unternehmen Keller Logistik, nicht aus. „Mit Stöcklin haben wir auf einen starken Schweizer Intralogistikpartner aus der Region gesetzt, der als produzierender Dienstleister aber auch internationales Renommee besitzt“, merkt Benjamin Ertl an. „Know-how und Erfahrung sind das eine, aber auch die Kommunikation auf zwischenmenschlicher Ebene hat gut funktioniert und zum Erfolg des Projekts beigetragen.“
Synchronisierter Materialfluss über drei Ebenen
Dieser Einschätzung schließt sich auch Stöcklin-Projektleiter Serkan Zeyrek an: „Ein konstruktives und faires Miteinander ist unabdingbar, um ein derart komplexes System innerhalb einer kurzen Spanne und gegen Ende auch unter Pandemie-bedingten Einschränkungen realisieren zu können.“ Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Im neuen Zentrallager der Winterhalter + Fenner AG sind auf einer Fläche von 10.000 m² bis zu 50.000 Artikel kompakt untergebracht. Diese verteilen sich auf ein vollautomatisches Hochregallager, das Platz für 6.000 Paletten und 1.500 Kassetten bietet, und auf ein Autostore-System mit 55.000 Behältern und 70 Robotern.
Als Ladungsträger kommen neben Behältern verschiedener Größen, Euro-1-Paletten in vier Höhenklassen sowie Sonderpaletten, die für die Aufnahme von Kassetten bestimmt sind, zum Einsatz. Die Zuführung der Ladungsträger erfolgt im Wareneingang auf Erdgeschossebene (EG). Sie durchlaufen eine Konturen- und Gewichtskontrolle und gelangen via Fördertechnik zu den Übergabeplätzen der Regalbediengeräte. Analog kann eine Einlagerung über die Fördertechnik im Untergeschoss (UG) sowie im Obergeschoss (OG) angestoßen werden. Diese drei Ebenen sind über Seilhubvorrichtungen miteinander verbunden. Im Zentrallager vereinnahmt werden darüber hinaus Kassetten, in Behälter zu übergebende Kleinteile sowie Kartons. Um Letztere zwischen den Ebenen bewegen zu können, sind Wendelförderer in die an der Decke abgehängte Karton-Fördertechnik integriert worden.
Ein- und Auslagerung ohne Zeitverlust
Vier 22 Meter hohe, vollautomatisch arbeitende Regalbediengeräte (RBG), die jeweils mit einer 2-zinkigen Teleskopgabel ausgerüstet sind, übernehmen die bereitgestellten Paletten von den Stichbahnen und lagern diese in das zugewiesene Fach des Hochregallagers (HRL) ein. Der Verfahrweg je Gasse beträgt 38 Meter. Gesteuert werden die Geräte aus der „Master 24“-Baureihe durch den „Advanced Controller Simatic S7-1500“, der in das „Totally Integrated Automation Portal“ (TIA Portal) eingebunden ist und derzeit als schnellste Steuerung weltweit gilt. RBG 1 ist ausschließlich für Kassetten bestimmt. Im Zuge der Einlagerung bei paralleler Auslagerung zur Kommissionierung werden bis zu 33 Doppelspiele pro Stunde geleistet. Zusatzaufgabe von RBG 2 ist das Handling von Paletten mit Mehrwegkabelrollen (Bobinen). Hier werden stündlich 13 Doppelspiele erreicht. RBG 3 und 4 dienen ausschließlich der Aufnahme, der Einlagerung und der Bereitstellung von Euro-1-Paletten. Auch hier werden bei jeder Fahrt zwei Paletten aus- respektive eingelagert. Die Zahl möglicher Doppelspiele beläuft sich auf 24 je Stunde.
Die Kommissionierung der Aufträge erfolgt über in die Fördertechnik integrierte, im Untergeschoss (UG) eingerichtete Pick-Stationen. Als Transportelemente für die Bereitstellung der angeforderten Ladungsträger an den Kommissionier-Arbeitsplätzen sowie deren Rückführung ins Hochregallager dienen Ketten- und Rollenförderer, Hubumsetzer und Drehtische. Ergänzend steht ein Paletten-Spender (Dispenser) bereit. Während die Pick-Plätze für Kassetten sowohl im UG als auch EG platziert sind, findet die Bobinen-Kommissionierung ausschließlich im OG statt.
Sobald die Kommissionier-Aufträge abgeschlossen sind, werden die Waren den Sortierbahnen im UG zugeführt oder direkt auf ebenfalls dort eingerichtete Bereitstellungsflächen übergeben.
Kompakt integrierte Leistungsdichte
Zur Bevorratung von Kleinteilen wurde ein gassenloses Kompaktlagersystem installiert. 70 autonom verfahrene Roboter sorgen dafür, dass sowohl Schnell- als auch Langsamdreher stetig umgelagert werden, um im Anforderungsfall bestmöglich auf die Behälter zugreifen zu können. Eingebunden sind in einer Tunnelkonstruktion untergebrachte Hochgeschwindigkeits-Arbeitsplätze sowie ein Vertikallift. Die zu- und abführende Behälter-Fördertechnik wurde unterhalb der Decke befestigt. „Die Realisierung unterlag einer engmaschigen Abstimmung mit den Verantwortlichen der Haustechnik“, berichtet Serkan Zeyrek. „Denn es war immens wichtig, gewährleisten zu können, dass keine allfälligen Kollisionen auftreten.“ Pro Stunde können bis zu 400 Behälter eingelagert werden, die Performance im Bereich der Kleinteile-Kommissionierung beläuft sich in Spitzen auf bis zu 1.600 Positionen im gleichen Zeitraum.
IT-gestützte, kontinuierliche Optimierungen
Die Materialfluss- und Lagerplatzverwaltung obliegt dem „StöcklinWCS“ (Warehouse-Control-System), das vom übergeordneten Host über Transportaufträge gesteuert wird. Dabei werden unter anderem Einlagerungsstrategien zwecks Bestimmung geeigneter Lagerfächer gefahren. Berücksichtigung finden eine möglichst ausjustierte Artikelgleichverteilung, Gebinde-Dimensionen und ABZ-Zonen. Eine Lastabminderung ist vorgesehen und wird verwaltet.
Weiter inkludiert sind eine Prioritätensteuerung und eine Auftragsreihenfolgenbildung, eine Leergebinde-Verwaltung sowie Leitstandfunktionalitäten. So ist es unter anderem möglich, über den Leitstand das jeweils aktuelle Lagerbild zu visualisieren. Dort wird der Belegungsgrad sämtlicher Subsysteme in 2D dynamisch dargestellt. Angezeigt werden darüber hinaus in der Anlage aufgetretene Störungen.
Die zügige Lokalisierung hat den entscheidenden Vorteil, dass die temporäre Problematik schnell behoben werden kann. Im WCS enthalten ist ferner eine Applikation für das Energiemanagement. So werden Steuerungskomponenten über die Sleep-Funktion während betriebsfreier Zeit automatisch in den Stand-by-Modus versetzt.
Die Kommunikation zwischen den SPSen der Subsysteme, inklusive Brandschutz- und Schnelllauf-Tore, und dem Materialflussrechner findet über das Industrial Ethernet statt. Subsysteme mit eigener Steuerung verfügen über eine TCP/IP-Schnittstelle und sind über diese mit dem Profinet-Automatisierungsnetzwerk verbunden.
„Um eine dauerhafte Stabilität gewährleisten zu können, ist das Automatisierungsnetzwerk getrennt vom Kunden-LAN ausgeführt worden“, sagt Stöcklin-Logistik-Projektleiter Serkan Zeyrek.
„Auf diese Weise wird verhindert, dass es zu einer überlagerten Netzlast kommt. Weiter ausgeschlossen sind Störungen durch Broadcast-Telegramme oder Updates bzw. Änderungen in der Netzinfrastruktur des LAN.“
Jüngster Erfolg einer langfristig angelegten Logistikstrategie
Die Gesamtanlage kann bei Bedarf ohne Unterlass 24 Stunden pro Tag betrieben werden. Regelfall sind allerdings zehn Stunden an fünf Tagen in der Woche. „Mit dem durch unseren Partner Stöcklin realisierten Intralogistik-System haben wir einen wichtigen Schritt in Richtung Automatisierung und Zukunftssicherung unternommen“, betont Leiter Supply Chain Benjamin Ertl. „Es optimiert sich unter Berücksichtigung aktueller Erfordernisse stetig selbst und ist bereits auf wachsende Warendurchsätze ausgelegt.“ Auch werde das sich durch eine hohe Energieeffizienz auszeichnende Zentrallager dem Umweltverständnis der Winterhalter + Fenner AG gerecht. Abstriche beim Thema Sicherheit und Werterhaltung müssten nicht hingenommen werden, da der Werkstoff Holz in puncto Präzision, Beständigkeit, Tragsicherheit und Brandschutz dieselben Kriterien wie Stahl erfülle. Weiter unterstützt wird dieser Aspekt durch ein intelligentes, von Stöcklin im Innern der Anlage umgesetztes Brandschutzkonzept. (ck)
Eine Information der Stöcklin Logistik AG
Redaktion (allg.)
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