Wie Roboter Lageristen entlasten

Fachkräftesicherung durch autonome mobile Roboter

Der Arbeitskräftemangel spitzt sich zu: Laut Detlef Scheele, dem Vorsitzenden des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit, fehlen etwa 1,2 Millionen Erwerbstätige auf dem deutschen Arbeitsmarkt – bei zwei Dritteln handelt es sich um Fachkräfte. Bei über 70 Berufen ist das Personal knapp. Die Logistikbranche ist besonders von dieser Notlage betroffen. Im Sektor Lagerei meldeten im Juli 43,9 Prozent der Unternehmen Schwierigkeiten bei der Suche nach qualifiziertem Personal. Daher setzen immer mehr Betriebe auf Automatisierung mittels autonomer mobiler Roboter (kurz: AMR). Können Unternehmen so den Fach- und Arbeitskräftemangel meistern?

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Autonome mobile Roboter können anstrengende, repetitive Transportprozesse übernehmen, während ihre menschlichen Kollegen für höherwertige Aufgaben eingesetzt werden. Bild: MiR
Autonome mobile Roboter können anstrengende, repetitive Transportprozesse übernehmen, während ihre menschlichen Kollegen für höherwertige Aufgaben eingesetzt werden. Bild: MiR

Durch die Personalengpässe kommt es zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse zwischen Arbeitgebern und -nehmern. Die große Menge an ausgeschriebenen Stellen bietet qualifizierten Arbeitskräften die Wahlmöglichkeit, sich für das attraktivste Jobangebot zu entscheiden. Die Logistikbranche steht hier oft hinten an. Laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung sind die körperlichen Anstrengungen in diesem Berufsfeld überdurchschnittlich hoch: Post- & Logistik-Berufe sind durch häufiges Arbeiten im Stehen (80 Prozent), Heben und Tragen von schweren Lasten (50 Prozent), Tragen von Schutzkleidung (43 Prozent) und häufig vorkommende ungünstige Klimaverhältnisse (40 Prozent) geprägt.

Es ist also nicht verwunderlich, dass sich Arbeitnehmer oft nach weniger körperlich anstrengenden Jobs umsehen.

Entlastung durch autonome mobile Roboter

An dieser Stelle schaffen autonome mobile Roboter Abhilfe. Sie übernehmen anstrengende, repetitive Transportprozesse, während ihre menschlichen Kollegen für höherwertige Aufgaben eingesetzt werden können. Mensch und Maschine können dank der intelligenten Software der AMR eng zusammenarbeiten: Mithilfe integrierter Näherungssensoren, Sicherheits-Laserscannern und 3D-Kameras sowie intelligenter Software navigieren die Roboter selbst in stark frequentierten Produktions- und Lagerhallen sicher und selbständig. Sie erkennen Menschen, Routenzüge oder Regale verlässlich und können ihnen ausweichen oder rechtzeitig bremsen.

Im Vergleich zu Gabelstaplern oder herkömmlichen Fahrerlosen Transportsystemen (FTS) bergen sie daher ein geringeres Verletzungsrisiko. Hinzu kommt: Sie navigieren völlig autonom, ohne dass strukturelle Veränderungen in der Infrastruktur vorgenommen werden müssen.

FTS benötigen zur Navigation in der Regel Induktionsschleifen oder Markierungen auf dem Boden. FTS können daher nur vorprogrammierte Wege abfahren, die entsprechend präpariert wurden.

Autonome mobile Roboter dagegen sind flexibler und intelligenter. Das bietet Unternehmen die nötige Flexibilität, sie für verschiedene Transportaufgaben und in unterschiedlichen Bereichen der Lager- und Produktionshallen einzusetzen. Die Programmierung der neuen Wegstrecken erfolgt beim Einsatz von AMR über eine intuitive, webbasierte Bedienoberfläche.

Fachkräftemangel durch Roboter-Kollegen ausgleichen

Der Automatisierung gehört nicht nur die Zukunft, sondern auch schon die Gegenwart. Dessen sind sich auch Unternehmen wie die TE Connectivity bewusst. Der Schweizer Konzern mit US-amerikanischen Wurzeln unterstützt Ingenieure durch die Entwicklung und Herstellung von Sensor- und Konnektivitätslösungen für eine sicherere, nachhaltige, produktive und vernetzte Welt. Im Werk in Esztergom, Ungarn, hatte das Unternehmen zunehmend Schwierigkeiten Personalengpässe auszugleichen. Deswegen traf TE Connectivity die Entscheidung, den Materialfluss mit einer Flotte AMR von Mobile Industrial Robots zu automatisieren.

Nach einer intensiven Testphase, für die die Schweizer das ungarische Werk kurzzeitig in ein industrielles Testgelände verwandelten, fiel die Entscheidung auf den Transportroboter MiR200, der mit einem TMC300-Topmodul von ROEQ ausgestattet ist. Die Implementierung der AMR traf anfänglich jedoch nicht immer nur auf Zuspruch, denn jede Veränderung – egal ob groß oder klein – verursacht anfängliche Skepsis. So waren auch die Mitarbeiter von TE Connectivity zu Beginn wenig begeistert, als sie von der Neuanschaffung erfuhren. Nachdem sie jedoch Stück für die Stück an die Transportroboter herangeführt wurden und diese sogar selbst bedienen durften, wich der ursprüngliche Argwohn einem freudigen Enthusiasmus: Unangenehme, repetitive Aufgaben gehörten für sie nun der Vergangenheit an. Für TE Connectivity ist die Rechnung aufgegangen. Die AMR von Mobile Industrial Robots haben die Arbeitsbedingungen entschieden verbessert. Zudem beschleunigten die Transportroboter das Tempo in der Intralogistik maßgeblich. Es ist daher nicht verwunderlich, dass TE Connectivity künftig noch mehr in die automatisierte Intralogistik investieren möchte und bereits eine weitere Produktionshalle errichtet, die speziell auf die Anforderungen der AMR zugeschnitten ist – ganz zur Freude der Belegschaft und Geschäftsführung.

AMR erhöhen Attraktivität von Logistikberufen

Inzwischen erkennen viele Betriebe die Vorteile der mobilen Transportroboter: Der Markt für Logistik-Roboter hat ein jährliches Umsatzwachstum von mindestens 40 Prozent zu verzeichnen – so der Jahresbericht der International Federation of Robotics (IFR). Oft bleibt es dabei nicht bei dem Einsatz von einzelnen AMR: Viele Unternehmen vertrauen auf ganze Flotten der Transportroboter, die aus verschiedenen Modellen mit unterschiedlichen Nutzlasten und Aufsatzmodulen bestehen. In Anbetracht der Tatsache, dass sich der War of Talents in den kommenden Jahren voraussichtlich noch verschärfen wird, werden Transportroboter eine noch wichtigere Rolle im Hinblick auf das Anwerben von Fachkräften spielen.

Jörg Faber, Sales Director DACH & Benelux, Mobile Industrial Robots

Jörg Faber
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· Artikel im Heft ·

Wie Roboter Lageristen entlasten
Seite 30 bis 31
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