„Das ist unser tägliches Brot!“

Ein Gespräch über den Weg in eine neue Dimension der Lagerautomation

Wenn Unternehmen auf einer Messe ausstellen, dann sind Innovationen in der Regel nicht weit. Manche kommunizieren vorher, manche erst direkt auf der Messe. Im Vorfeld der Logimat hatte die Zeitschrift „Technische Logistik“ die Gelegenheit, bei Knapp ein wenig genauer hinter den Messevorhang zu schauen. Im TL-Talk mit Johannes Holas, Vice President Fashion Solutions bei Knapp,spricht Jan Kaulfuhs-Berger, Chefredakteur „Technische Logistik“, über Trends, Entwicklungen, Herausforderungen und die Treiber in der Lagerautomation sowie State-of-the-art-Technologien.

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 Bild: HUSS-MEDIEN GmbH
Bild: HUSS-MEDIEN GmbH

Jan Kaulfuhs-Berger: Johannes Holas, wenn man mit Ihnen über das Thema Lagerautomation spricht, kommt schnell das Stichwort Rise to new dimensions. Hierzu kommen wir später. Zunächst bitte ein paar Informationen zu Knapp.

Johannes Holas: Wir haben eine lange Geschichte, die 1952 begann, und der Erfindergeist war stets in der DNA des Unternehmens. Knapp hat sich relativ schnell mit dem Thema Automatisierung beschäftigt. Es hat sich gezeigt, dass die Lieferketten des Pharmagroßhandels im Prinzip hoch entwickelt waren, dass über die Mehrfachbelieferung pro Tag von Apotheken aber Unterstützung notwendig war. Da kam Technologie ins Spiel, Automaten, die die Lieferketten beschleunigen konnten. Das war der Start zur Logistikautomation und zur Logistiktechnik. Über die Jahre hat sich das vom Thema Pharmagroßhandel und -verteilzentren über inzwischen sieben Branchen entwickelt und ist ein Technologie-Portfolio. Wir verstehen uns als Technologiepartner unserer Kunden.

Ehe wir hier in die Tiefe gehen, vielleicht kurz ein globaler Blick auf die Lagerautomation. Wo steht man da?

Die Branche an sich hat in den vergangenen Jahren eine aufregende Reise hinter sich – ebenso unsere Kunden. Das heißt, viele Geschäftsmodelle waren in Bewegung und somit auch das Thema Lagerautomation und Technologie rund um Verteilzentren. Die aktuellen Trends, die auch uns vorantreiben und die Herausforderungen unserer Kunden beschreiben, gehen sicherlich in Richtung Personalmangel, Personalkosten beziehungsweise auf schnelle Veränderlichkeit von Geschäftsmodellen. Und wenn wir auf Knapp blicken, kann man sagen: Wir beschäftigen uns gerne damit, wie unsere Kunden ihre Endkunden glücklich machen können. Das ist unser tägliches Brot!

Sie sagten es, Fachkräftemangel ist einer der Treiber, Kosten mit Sicherheit ein weiterer Treiber. Gibt es noch einen dritten?

Die Summe aus Fachkräftemangel und der Transformation von Arbeitsplätzen, wie sie sich in der Logistik allgemein darstellt, ist hier ganz wesentlich. Arbeitsplätze werden stärker als bisher zu höherentwickelten komplexen Arbeitsplätzen – wir sprechen dann eher vom Smart Worker – verglichen zu den schweren, körperlich repetitiven Tätigkeiten. In diese Richtung bewegt sich das ganze Feld. Und da spielt die Automation natürlich eine Rolle, diese repetitiven Tätigkeiten zu automatisieren. Und andersherum, da wo es Sinn macht, Personal gezielt einzusetzen, ist es wichtig, dass ein besseres Arbeitsumfeld generiert wird. Wenn man sich das größer anschaut, geht es schon darum, dass wir auch die Wertschöpfung in der Nähe unserer Unternehmen halten und das Wirtschaftssystem in Europa unterstützen.

Wenn man sich das regional und geografisch anschaut – das ist, die Welt einmal als Ganzes betrachtet, schon sehr unterschiedlich.

Das kann man in der Tat so sagen. Knapp ist mit 49 Niederlassungen global vertreten und hat einen relativ großen Schwerpunkt in den USA. In Lateinamerika sind wir mit vielen Kunden ebenfalls schon lange unterwegs. Ich glaube, die Probleme und Herausforderungen, die unsere Kunden zu stemmen haben, sind vielerorts vergleichbar, aber haben vielleicht unterschiedliche Stadien.

Zum Beispiel?

Während man in Europa schon sehr weit mit Einzelstück-Kommissionierung fortgeschritten ist, ist man in Lateinamerika in der Belieferung eher noch bei Ganzkartons, wenn man über Produkte spricht, die man in Filialen beschickt und einräumt. Nordamerika ist ebenfalls ein großer Wachstumsmarkt. Aber da sind die Herausforderungen unter anderem die Geografie.

USA und Kanada sind schon riesig.

Richtig und dazu kommen dann noch die sehr großzügigen Ladenöffnungszeiten. Der E-Commerce ist traditionell noch nicht ganz so stark vertreten. Da hat die Pandemie einige Spuren hinterlassen. Und jetzt ist es so, dass beispielsweise in den USA aufgrund der Größe des Landes E-Commerce eine große Herausforderung ist, weil die Servicelevel direkt an die Kunden auf Grund der Distanzen nicht so einfach erbracht werden können. Eine Tagesbelieferung oder Belieferung innerhalb von zwei Tagen braucht eine gewisse Dichte, und da sind die Liefernetze noch nicht so hoch entwickelt. Da sind einige Kunden von uns durchaus dran, entsprechende Netzwerke aufzuziehen. Die Basisherausforderungen aber zum Thema Personalmangel und Fachkräfte, die sind da ganz vergleichbar.

Blicken wir nach Asien, wie sieht es dort aus? In Indien, beispielsweise, ist das Problem mit den Fachkräften nicht ganz so groß, aber man hat das Thema Fläche.

Ja, zum einen gibt es das Flächenthema dort auch. Zum anderen sind dort Fach- und Arbeitskräfte vielleicht noch leichter verfügbar. Auch der Kostendruck ist nicht ganz so stark. Was man aber sieht, sind lokale Anbieter, lokale Unternehmer, die im näheren Umkreis in der Logistik tätig und durchaus recht stark sind. Auch die Märkte funktionieren etwas anders als in Nordamerika, Lateinamerika oder Europa.

Kommen wir auf die Branchen zu sprechen. Sie haben im Vorgespräch gesagt, Knapp hat sieben Branchen im Fokus. Sie persönlich sind speziell für Fashion zuständig, das ist mit hängender Ware ja auch noch einmal eine ganz andere Herausforderung. Was kann man noch als Fokus-Branche definieren?

Die Bandbreite bei Knapp reicht von Industrie, Lebensmittel bis zu Healthcare. Wir unterscheiden da zwischen Retail und Wholesale. Dann haben wir die Fashionbranche und noch einen eigenen Sektor, der sich damit beschäftigt, Integratoren mit Komponenten zu beliefern. Damit schließt sich die Bandbreite, wobei die Kundenindividualität in verschiedenster Form ausgeprägt ist.

Ziemlich komplex. Wie geht man damit um?

Wir haben vor etwa 15 Jahren erkannt, dass die Branchen spezielle Ansprachen brauchen. Es geht darum, Prozesse zu verstehen, die in diesen Branchen wiederkehren, das heißt, Kunden möchten sich mit einem Technologiepartner umgeben, der dieselbe Sprache spricht. Sie möchten Zeit sparen, sie möchten abgeholt werden und – Beispiel Textilbranche – jemandem nicht zum zehnten Mal erklären, was der Value Added Service ist, wo ein Wäscheetikett mit dem Pflegehinweis für ein Land eingenäht werden muss oder wo ein Sicherheits-Tag im Textil ist. Darauf haben wir uns eingestellt. Da entstehen Partnerschaften und Bindungen. Was uns gelingt, und das ist auch unser Credo, ist, dass wir einen Technologie-Baukasten haben und konsequent in unseren Branchen benutzen, diesen uniform halten, um die maximale Integration der einzelnen Subsysteme, allen voran die Steuerung, homogen zu gestalten.

Ein ganzheitlicher Ansatz. Der Kunde möchte einen Ansprechpartner haben.

Ein wesentlicher Anteil an unserem Geschäft ist ja mit Bestandskunden. Mit ihnen beschäftigen wir uns mehr als die Hälfte unserer Zeit. Das ist ganz entscheidend. Es ist uns auch wichtig, dass diese Kunden über den Lebenszyklus einer Anlage oder vieler Anlagenhinaus gut betreut werden. Manche Kunden haben unterschiedliche Anlagen in unterschiedlichen Ländern. Und da spielt dieser eine Ansprechpartner eine wesentliche Rolle. Der Kunde weiß, der hilft ihm weiter, sozusagen in allen Lebenslagen, und das funktioniert auch branchenübergreifend.

Wir sprachen vorhin von Rise to new dimensions, also zu neuen Dimensionen aufbrechen. Was verbirgt sich dahinter?

Wir möchten Unternehmen zeigen, wie sie aktuelle Herausforderungen der Branche nicht nur meistern, sondern in jeder Dimension ihres Geschäfts noch erfolgreicher werden können.

Eine der Dimensionen von Knapp haben wir schon gestreift: das Thema Partnerschaft. Wir nennen unsere Kunden Partner, weil wir davon überzeugt sind, dass es genau diesen Ansatz braucht. Wir müssen in die Situation kommen, auch die Herausforderungen in den Geschäftsmodellen zu verstehen. Daraus entsteht eine gewisse Agilität, ein gewisses Tempo, das unsere Kunden schätzen. Dieselbe Sprache, dieselben Personen, vielleicht sind auch schon Systemlösungen bekannt und entsprechend schnell und effizient ist man dann. Wir stellen den Kunden in den Mittelpunkt. Das ist natürlich aufwendig. In guten wie in schlechten Zeiten. Aber das mögen wir, das macht uns Spaß.

Eine weitere Dimension?

… ist die Erweiterung. Wenn man die Wertschöpfungsketten unserer Kunden betrachtet, kommt man historisch gesehen sehr stark aus dem Thema Distribution, Verteilung. Jetzt sind wir in den vergangenen Jahren auch in Richtung Produktionsumgebung gegangen, das heißt, wir sind im Umfeld von Produktionspuffern, im Umfeld von Kommissionierung für Produktionslinien unterwegs. Aber auch auf der anderen Seite der Wertschöpfungskette, am Point of Sale. Wir sprechen von sehr feingliedrigen Verteilnetzen wie Micro-Fulfillment, wo ich sehr nahe am Endkunden bin. Das kann ein Gesamtsystem sein oder eine Softwarelösung. Also diese Reise, auf die uns unsere Partner mitgenommen haben, geht über die vier Wände des Lagers wesentlich hinaus.

Und zuletzt würde ich die Technologieplattform, den Technologiebaukasten ansprechen wollen. Das sind Technologien, die wir im Hause entwickelt haben. Das hat große Tradition. Allen voran die Software, die wir im eigenen Haus definieren, entwickeln und über die Jahre erweitert haben. Da sprechen wir nicht von typischen Materialflussrechnern. Wir sprechen von Business-Intelligenz Werkzeugen, sogenannte BI-Tools, um Analytics und Daten sichtbar zu machen. Wir sprechen über Transportmanagement oder diverse KI-Applikationen auf der einen Seite.

Nun ist Knapp aber auch der breiten Masse durch Shuttletechnologie bekannt.

Richtig, neben Lagertechnik haben wir uns seit mehr als 20 Jahren mit Shuttletechnologien beschäftigt. Auch da geht es um höher, schneller, weiter. Wir gehen Richtung Tiefkühl, beschäftigen uns damit, wie hoch man einen Lift bauen kann und wie groß Systeme sein können. Auf der anderen Seite der Skala, wo es um sehr flexibleLösungen geht, legen beziehungsweise erweitern wir gerade den Grundstein, um diese Technologiebasis um einen wesentlichen Schritt auszubauen.

Meinen Sie damit Ihre neueste Technologie, die Sie auf der Logimat vorstellen?

Genau, wir werden auf der Logimat – unser Stand befindet sich in der Halle 3, B01 und B03 – ein maximalflexibles Lagersystem präsentieren. Wir haben versucht, zum einen die Lagerdichte weiter zu verbessern und das Thema Flexibilität auf eine neue Dimension zu heben. Zum anderen sprechen wir davon, das Thema Stellplätze, also die statische und dynamische Kapazität, die Aus- und Einlagerleistung, voneinander noch weiter zu entkoppeln. Diese Entkopplung hatte schon stattgefunden in Technologien, die wir im Baukasten haben.

Was heißt das für den Endkunden?

Für den Endkunden heißt das, ich kann in Stellplätzen wachsen, in Leistung wachsen, und das mit einfachen Mitteln und sehr kurzfristig. Das Ganze wird von unserem neuesten Lagersystem gelöst, das sich in drei Dimensionen bewegt. Ein großer Vorteil ist das einfache Setup. Das System setzt auf Einfachheit, von Systemdesign über die Inbetriebnahme bis zur Wartung. Demnach bin ich äußerst flexibel, schnell und den kreativen Gedanken, was man damit tun kann, sind keine Grenzen gesetzt.

Klingt spannend. Gibt es abschließend noch etwas, was Sie hinzufügen möchten?

Ich glaube, wir bei Knapp haben einen guten Überblick über die Dinge, die uns treiben. Das ist immer die Basis für Entwicklungen, die wir uns mit unseren Partnern gemeinsam überlegen. Also die Quelle für Innovationen sind immer Impulse, und dazu möchten wir sehr nahe am Geschäft unserer Kunden dran sein. Wenn unsere Kunden erfolgreich sind, macht es uns noch mehr Spaß. Und wir haben große Freude mit dem, was wir auf der Logimat zeigen dürfen.

Johannes Holas, herzlichen Dank für das Gespräch!

Jan Kaulfuhs-Berger

Chefredakteur, Zeitschrift "Technische Logistik - Hebezeuge Fördermittel"
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· Artikel im Heft ·

„Das ist unser tägliches Brot!“
Seite 54 bis 56
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