Zentralisierte Distribution

Victorinox investiert in Digitalisierung und Automatisierung

Das Schweizer Taschenmesser ist vermutlich das bekannteste Produkt des Unternehmens Victorinox, das im Jahr 1884 als Messerschmiede gegründet wurde. Neben den unterschiedlichen Taschenmessern umfasst das Produktportfolio Küchenmesser, Parfüm, Uhren sowie Reisegepäck. Heute ist Victorinox ein globales Unternehmen mit 13 Niederlassungen weltweit und 2.100 Mitarbeitern – die Waren werden in über 120 Ländern der Welt vertrieben. Die Fertigung der hochwertigen Produkte erfolgt zum größten Teil in der Schweiz: Vier der fünf Produktkategorien werden hier produziert. Diese sogenannte Swissness ist wichtiger Teil der Marke Victorinox, verursacht allerdings auch 20 Prozent an Mehrkosten. Vor allem die bestehende Supply Chain und Distributionsstruktur wurde für Victorinox zunehmend zum Kostentreiber und Hindernis für das geplante Wachstum. Deswegen entschloss sich das Unternehmen, seine Distribution am Standort Seewen in der Schweiz zu zentralisieren und im neuen Distributionszentrum in Digitalisierung und Automatisierung zu investieren.

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 Bild: Knapp
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Im Wareneingang werden die Waren im Warenwirtschaftssystem geprüft, erfasst und für die Lagerung vorbereitet. Die Stammdaten, also Informationen wie die Artikelnummer, Stückzahl oder Lagerbestand, werden mithilfe der All-in-One-Software „KiSoft“ erfasst und gespeichert. „KiSoft“ wählt auch den passenden Lagerort für die Ware aus. Ab sofort ist jeder Artikel auffindbar und über den gesamten Bearbeitungsprozess verfolgbar.

Platzsparend und smart gelagert

Rund 93 Prozent der Waren sind für die Lagerung im automatischen Kleinteilelager – dem „OSR Shuttle Evo“ – aufgrund ihrer Dimensionen geeignet. Die restlichen Waren werden im Palettenhochregallager eingelagert.

Als zentraler Warenspeicher bildet das „OSR Shuttle Evo“ das Herzstück der effizienten Fulfillment-Prozesse im Distributionszentrum von Victorinox. Es verfügt über 38.500 Stellplätze. Behälter, Kartons und Kartons auf Trays können im Regalsystem mehrfachtief gelagert werden: Die Ladehilfsmittel können Abmessungen bis zu 800 × 600 × 400 Millimetern haben und mit Ladegut bis 50 Kilo befüllt sein.

Die Software „KiSoft“ behält den Überblick über alle Artikel im Lager und koordiniert und optimiert die Fahrbewegungen der Shuttles und der Lifte. Pro Stunde können 1.700 Ein- und Auslagervorgänge durchgeführt werden. Auch die Einlagerungsstrategie übernimmt „KiSoft“: Hier wird vor allem auf maximale Warenverfügbarkeit und Lagerdichte geachtet. „KiSoft“ berechnet für jeden der Artikel den idealen Lagerort, um eine optimale Warenverfügbarkeit sicherzustellen. Durch den Einsatz von „KiSoft“ erreicht Victorinox auch einen transparenten Überblick über den gesamten Lagerbestand – dies war eine zentrale Anforderung des Gesamtprojekts.

Softwaregesteuerte Kommissionier-Prozesse

In einem halbautomatisierten Palettenhochregallager, das mit Schmalgangstaplern betrieben wird, befindet sich Platz für 10.000 Paletten. Der Nachschub für das „OSR Shuttle Evo“ wird automatisch aus dem Palettenhochregallager über „KiSoft“ angefordert. So ist sichergestellt, dass immer die richtigen Waren zur richtigen Zeit für die Kommissionierung zur Verfügung stehen. Angeschlossen an das Lagersystem „OSR Shuttle Evo“ befinden sich vier ergonomische Ware-zur-Person-Arbeitsplätze der „Pick-it-Easy“-Serie. Hier erfolgt die Kommissionierung der Kundenbestellungen.

Das „OSR Shuttle Evo“ lagert die benötigten Behälter in der richtigen Reihenfolge aus und stellt sie an den „Pick-it-Easy“-Arbeitsplätzen zur Verfügung. Gleichzeitig werden den Arbeitsstationen Auftragsbehälter zugeführt: Diese sind softwareseitig mit dem Auftrag verknüpft. So ist sichergestellt, dass die richtigen Waren für den richtigen Kunden kommissioniert werden. Dies alles erfolgt vollautomatisch über „KiSoft“: Die Software berechnet dabei die ideale Reihenfolge der Behälter sowie der Aufträge und optimiert auf diese Weise die Fahrwege der Shuttles und stellt sicher, dass alle Aufträge termingerecht bearbeitet werden.

Der letzte Feinschliff im Value-Added-Service-Bereich

An insgesamt acht Arbeitsplätzen findet eine individuelle Produktveredelung nach Kundenwunsch statt, beispielsweise das Konfigurieren von Uhren oder die Beigabe von Schutzhüllen und Garantiescheinen. Aufträge, die in diesem Bereich bearbeitet werden müssen, werden automatisch ausgesteuert. Die Mitarbeiter erhalten alle relevanten Informationen zum Auftrag auf den Bildschirmen. An zwölf Verpackungsarbeitsplätzen werden die kommissionierten und veredelten Waren in Versandkartons für die Kunden verpackt. In diesem Bereich werden Lieferschein, Rechnung und Versandetikett gedruckt und beigegeben. Wie von Victorinox definiert, erhält nun jede Lieferung eine konsolidierte Rechnung und Packliste der Waren. Dies erleichtert die Bearbeitung der Lieferungen in den Stores. Im Schnitt werden pro Stunde durchschnittlich 75 Versandkartons fertiggestellt, in Spitzenzeiten bis zu 240.

Die Kundenbestellungen sind nun bereit und können ihre Reise zu ihren Bestimmungsorten antreten. Im Warenausgang werden die Lieferungen nach Kunden und Ländern auf Paletten oder in Container für den globalen Versand verpackt. Die fertigen Lieferungen werden – wann immer möglich – per Bahn weiter transportiert. Im Schnitt werden 280 Kartons pro Stunde versendet, in Spitzenzeiten sind es sogar 720. (ck)

Eine Information der Knapp AG

Zum Firmenprofil

» Unser neues Distributionszentrum ist die Drehscheibe unseres weltweiten Versands und ermöglicht uns, aktuelle und künftige Kundenanforderungen in optimaler Qualität zu erfüllen.

Dennis Haverkate, Supply Chain Business Process Owner, Victorinox

Redaktion (allg.)

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· Artikel im Heft ·

Zentralisierte Distribution
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