Automatisieren in der Ladezone

Neue Features der autonomen Lkw-Be- und Entladung mit dem TLS 3600

Das von der Trapo GmbH weiterentwickelte automatisierte Be- und Entladesystem TLS 3600 bietet neue technische Features, die den Anwendern noch mehr Einsatzoptionen beim Paletten-Handling an der Lkw-Laderampe ermöglichen.

1105
Geringer Platzbedarf für das automatisierte Be- und Entladen: 
Gesamtlänge der Ladezone rd. 14 m inklusive 3 m Rangierdistanz. Bild: Trapo
Geringer Platzbedarf für das automatisierte Be- und Entladen: 
Gesamtlänge der Ladezone rd. 14 m inklusive 3 m Rangierdistanz. Bild: Trapo

Bereits im Jahr 2020 als technische Studie präsentiert (s.a. TL 5/2020, S. 44), hat sich das autonom fahrende Trapo-Ladungssystem TLS 3600 in der Ladezone etabliert. Wo üblicherweise reger Staplerverkehr herrscht, laufen die Umschlagarbeiten in ruhiger Atmosphäre ab. Im Jahr 2023 hatte die Lösung zum automatisierten Be- und Entladen auch an anderer Stelle einen großen „Auftritt“: Auf der Intralogistik-Messe LogiMAT in Stuttgart wurde das TLS 3600 von einer Fachjury als „Bestes Produkt“ in der Kategorie „Identifikation, Verpackungs- und Verladetechnik, Ladungssicherung“ ausgezeichnet. „Seit Jahrzehnten bemühen wir uns, die Standzeiten der Lkw an der Rampe zu verringern“, begründete Jurymitglied Prof. Dr.-Ing. Wolf-Michael Scheid die Entscheidung. „Trapo bietet eine Verbesserung für Koffer-Lkw allgemein, ohne spezielle stationäre Einrichtungen. Wir haben einen Ansatz, der nicht nur an einer Rampe einsetzbar ist und der Abweichungen in der Lkw-Ausrichtung toleriert“, lobte Scheid den perspektivischen Blick der Entwickler aus Gescher-Hochmoor.

Das TLS 3600 lässt sich in jedes Produktions-, Lager- oder Sequenzierungssystem integrieren. Von sich reden machte bereits der Prototyp des automatisierten Verladesystems beim Einsatz in der Lebensmittelindustrie. Diese Lösung eignet sich für alle Care-Bereiche, denn dank des kontinuierlichen Beladezyklus befinden sich beispielsweise Nahrungsmittel oder Medikamente nur kurzzeitig im Ladebereich zwischen klimatisiertem Lager und Lkw-Kühlkoffer. Zum Überwachen und Steuern der Shuttles dient das Manufacturing Execution System TIM (Trapo Intelligent Managementsystem).

Das TLS rangiert selbsttätig und korrigiert sensorgestützt vor der Einfahrt in den Lkw seine Position. Während das System bei seiner Premiere im Jahr 2020 als autonome Beladelösung für Koffer-Lkw präsentiert wurde, kann das TLS 3600 jetzt auch selbsttätig entladen und bedient mit Hilfe eines eingeschobenen Zwischenwand-Spannbretts zur Ladungssicherung auch Planen-Lkw.

Die wichtigsten Innovationen des TLS 3600

Seit 2020 wird im Trapo-Technikum, der „Ideenschmiede“ des Unternehmens, an der Konstruktion des TLS 3600 gefeilt. In der neuen Generation des autonomen Be- und Entladens wurden Kundenanforderungen und Erkenntnisse aus der Praxis berücksichtigt. Die umgesetzten Innovationen betrafen u.a. folgende Details:

Erstens:Drei einzelne Module aus Fahrgestell und Hubmast wurden durch ein Fahrgestell mit drei kompakten Hubmasten ersetzt. So wird die Modularität beibehalten, aber der Aufbau konnte in Breite und Länge reduziert werden.

Zweitens:Die Hinterradlenkung erfolgte über drei Räder und einen durch eine Spurstange verbundenen Lenkantrieb. Das Fahren wurde optimiert und wendiger: Zum optimierten Fahrverhalten basiert die Lenkkinematik jetzt auf dem Achsschenkelprinzip, d. h. über zwei einzeln gelenkte Zwillingsräder.

Drittens: Beim Hinterradantrieb übernahmen früher drei Räder den Direktantrieb: Sie wurden durch einen direkten Vorderradantrieb ersetzt. In der Folge sind die Antriebs- und Lenkmotoren getrennt auf Vorder- und Hinterachse aufgeteilt. Dies garantiert, dass keine der Achsen mehr komplett passiv mitläuft, wie es zuvor bei der Vorderachse der Fall war.

Viertens:Das neue Hubkonzept ist eine teleskopierte, tragfähigere Anwendung mit drei Hubstufen. Wahlweise können drei Europaletten längs oder – durch manuelles Umhängen der äußeren Zinken – zwei Europaletten quer in einem Zug verladen werden.

Fünftens:Durch das industrielle Design der kompakten Hubmastprofile konnte auch die Bauhöhe der Hubmasten verringert werden.

Sechstens:Im Jahr 2020 war der zentrale Schaltschrank am Heck des Fahrzeugs montiert. Kondensatoren und wenige Elektrokomponenten waren im Fahrgestell selbst untergebracht. Bei der jüngsten TLS-Generation befindet sich der verkürzte Schaltschrank vor dem Gegengewicht – inklusive ausfahrbarer Montageplattform zur Vereinfachung von Servicearbeiten. Die verbesserte Position des Gegengewichts ermöglicht ein effektiveres Arbeiten sowie ein reduziertes Gesamtgewicht.

Siebtens:Ein neues Lokalisierungskonzept sorgt für höhere Sicherheit im System. Bei der Plug-and-Play-Lösung wurde die Software der Navigation optimiert und die Anzahl der Softwaremodule erheblich reduziert.

Achtens:Im Zuge der Weiterentwicklung erhielt auch die Elektrik ein modulares Design: entweder kabelgebunden mit Federleitungstrommel oder akkubetrieben. Seither kann das autonome Be- und Entladesystem mühelos den Dreischichtbetrieb durchhalten. Es ersetzt die Arbeitskapazität von maximal zwei verladenden Gabelstaplern, die dreimal so häufig die Wegstrecke zurücklegen müssten – bei großer Unfallgefahr.

Systemlösung für die Praxis: Fahrzeug plus Dock

Im neuen System wird auf den Trapo Loading Mover verzichtet, der im Jahr 2020 den TSL-Prototypen wie ein XXL-Lastenträger positionierte. Ein Dock ist der Ersatz. Somit besteht die TLS-Serie seit 2023 grundsätzlich aus dem autonom agierenden Fahrzeug plus Dock. Diese beiden Mobile ermöglichen unterschiedliche Kombinationen: Dock plus Fahrzeug gibt es sowohl als fest installierte (Fixed) als auch als verfahrbare Variante – auf Rädern (Wheel) oder auf Schienen (Rail). Folglich kann das TSL wahlweise als 1:1-Lösung oder zum Bedienen mehrerer Ladetore eingesetzt werden.

Bei der verfahrbaren Variante wird das Dock rad- oder schienengebunden nacheinander vor bis zu drei Laderampen positioniert, um am jeweiligen Hub exakt verladen zu können. Obwohl das TLS im Jahr 2020 noch als Schienensystem ausgelegt war, wurde rasch klar: Nicht jeder Betreiber kann oder will am Hallenboden bauliche Veränderungen vornehmen. Verfahren wird nach einem adaptierten SLAM-Algorithmus, bei dem das TLS den jeweiligen Momentanstatus kontinuierlich mit der ihm bekannten Lokalisierungskarte des Umfelds abgleicht.

Kompaktes TLS-Design für Koffer- und Planen-Lkw

Und auch in den Abmessungen wurde das TLS 3600 deutlich verschlankt und zum Fahrzeugheck hin verjüngt. Bei seiner Premiere im Jahr 2020 war das TLS noch ein XXL-Kubus mit einer Grundfläche von etwa 8 m × 5 m. Diese Maße wurden jetzt erheblich reduziert. Insgesamt benötigt der Systemaufbau inklusive Dock und Rangierdistanz maximal eine Gesamtlänge von 14 m. Die Verjüngung am Heck verhindert ein Anecken am Lkw-Auflieger.

Das kompakte TLS 3600 ist inklusive Gabelzinken 4,34 m lang, bei eingefahrenem Hubmast lediglich 1,35 m hoch, etwa 2,15 m breit und nimmt dabei nach wie vor bis zu 3,6 t Nutzlast auf. Der Hubmast wurde komplett überarbeitet.

Das Eigengewicht hängt auch von der maximal zu beladenden Last ab; dementsprechend wird das erforderliche Gegengewicht angepasst. Das Leergewicht liegt für das Fahrzeug daher im Bereich zwischen 4,5 und 5,5 t und konnte im Vergleich zum Prototyp um nahezu 2 t reduziert werden.

Die Förderhöhe beträgt 1,60 m. Die Neigung der Verladebrücke kann bei maximal 4° liegen. Das Fahrverhalten des TLS passt sich automatisch der Schrägstellung des Lkw an. Für einen 14 m langen Trailer liegt die Beladezeit für 33 Europaletten – abhängig vom Ladegut – bei etwa 25 min.

Geblieben ist der bewährte Ablauf. Ob konventionelle Technik, Shuttle-Schwarm oder XXL-Shuttle, das jeweils drei Paletten gleichzeitig anliefert: Zunächst werden bis zu drei Paletten auf Fördertechnik nebeneinander in Reihe platziert (Schritt 1) und ausgerichtet. Es folgen die Aufnahme (Schritt 2) und das Verladen der Reihe (Schritt 3). Während des Verladevorgangs wird die nächste Palettenreihe gebildet und bereitgestellt - ein kontinuierlicher Ablauf, der Zeit und Wegstrecke spart.

Bedingt durch seine Aufgabenstellung, sorgt das autonome Verladen nahezu nebenbei für eine personenfreie Ladezone. Nach Ankunft meldet sich der Lkw-Fahrer von der Wartezone aus über die Bedienfläche eines Monitors an. Damit wird das automatisierte Be- oder Entladen ausgelöst. Personen sind in diesem unfallträchtigen Bereich nicht zugelassen.

Erwünscht sind Zuschauer jedoch im Showroom der Trapo GmbH, wo im Sommer 2023 eine Laderampe aufgebaut wurde, um das TLS 3600 interessierten Fachleuten live zu präsentieren. (nh)

Redaktion (allg.)

AnhangGröße
Beitrag als PDF herunterladen1.49 MB

· Artikel im Heft ·

Automatisieren in der Ladezone
Seite 28 bis 29
20.10.2022
Ladungssicherung: Zu einem Dilemma bei der Kennzeichnung von Zurrsystemen
Darf man Produkte, die das GS-Prüfzeichen und gleichzeitig den Zusatz „in Anlehnung an die Norm“ tragen, verwenden, als seien sie nachweislich sichere Produkte beziehungsweise Arbeitsmittel? Die...
12.02.2024
Ergebnisse des Forschungsprojekts „KAnIS – Kooperative Autonome Intralogistik Systeme“
Mit Live-Vorführungen auf dem Testgelände im Werk Aschaffenburg am 5. Dezember 2023 präsentierten der Warenumschlagspezialist Linde Material Handling (MH) und die Technische Hochschule Aschaffenburg...
06.10.2023
Robotik in der Intralogistik im Ausblick
Fachkräftemangel, Lieferkettenprobleme, Pandemie und Co. – die Herausforderungen in der Logistik und Intralogistik könnten gerade kaum größer sein. War vor rund 30 Jahren der Einsatz von Robotern, KI...
20.10.2022
Antriebslösungen für mobile Anwendungen im Material Handling
Im Bereich Material Handling ist die Elektrifizierung gerade in den mobilen Anwendungen ein zunehmender Trend. Elektrische Antriebe sind dynamisch, effizient, leistungsstark und vor allem zuverlässig...
14.02.2022
Der VDI Fachausschuss FTS hat sich in einem umfangreichen Leitfaden dem Thema „Autonomie bei mobilen Robotern“ gewidmet. Im Folgenden sollen die Motivation für das Vorhaben, die Grundlagen und der...
29.08.2024
Ganzheitliche Konzepte auf Basis der ISO 3691-4 und neuen Maschinenverordnung
Effiziente Abläufe in Produktion und Logistik sind das Ziel: Es gilt, Mensch und Maschine vor Kollision zu schützen sowie Stillstandzeiten zu vermeiden. Diese Aufgabe wird umso komplexer, wenn es sich...