Abenteuer Automation
Zugegeben, auf den ersten Blick haben die drei Asterix, Obelix und Idefix getauften „L-Matic HD“ von Linde MH bei der Oechsler AG wenig mit ihren gallischen Namensvettern gemein. Doch betrachtet man die Geschichte hinter dem Automationsprojekt, wird schnell klar: Ganz weit hergeholt ist die Namensgebung nicht. Hier das unbeugsame Comic-Trio, das Abenteuer für Abenteuer Unmögliches möglich macht – und dort die drei selbstfahrenden Hochhubwagen in einem anspruchsvollen Setting, das selbst Logistikprofis gehörig Respekt abringt.
„Breite, klar abgetrennte Fahrwege, ebene Strecken ohne Hindernisse, eine statische Umgebung – all diesen Luxus haben wir hier nicht“, gibt Sebastian Hornung, Head of Logistics am Stammsitz Ansbach, zu Protokoll. Und trotzdem laufen die automatisierten Warenflüsse seit Inbetriebnahme von Asterix, Obelix und Idefix im März 2022 nicht nur äußerst effizient, sondern auch maximal zuverlässig. Ganz ohne Zaubertrank, versteht sich.
Sorgfältig geplant ist halb automatisiert
Rückblick: Bereits 2019 kam bei dem global führenden Hersteller von Kunststoffspritzgussteilen und -baugruppen die Idee auf, bestimmte Warenflussprozesse zu automatisieren. „Einerseits ging es uns um Produktivitätssteigerungen, zugleich wollten wir den Fachkräftemangel abfedern“, erinnert sich Chief Operating Officer Christoph Faßhauer. Also suchte die Logistikabteilung den Kontakt zum Linde MH-Netzwerkpartner Ernst Müller Fördertechnik, der einen mehrtägigen Workshop vor Ort initiierte. Intralogistik-Berater Thomas Eußner: „Uns war es wichtig, ergebnisoffen an die Sache heranzugehen und bei Oechsler auch weitere Bereiche wie Fertigung und Versand einzubeziehen. Erst wenn man ein ganzheitliches Bild über die Prozesse und Bedürfnisse hat, kann man passende Lösungen konzipieren.“ Als eben jene Lösung erwies sich bei Oechsler die Inbetriebnahme dreier „L-Matic HD“ von Linde, die sowohl für die Materialbereitstellung in der Produktion als auch für die Entsorgung verpackter Ware und den nachgelagerten Transport zum Einsatz kommen sollten.
Alles eine Frage der Detailarbeit
Was sich in der Beschreibung locker leicht liest, war in der Praxis beileibe keine logistische Fingerübung. Die Gänge in der Produktions- und Lagerumgebung sind teilweise extrem schmal dimensioniert, überall „lauern“ unübersichtliche Ecken und Kreuzungen. An einem neuralgischen Punkt gibt es sogar eine Rampe mit vier Prozent Steigung zu überwinden. „Die Frage war: Was können wir tun, damit die Fahrzeuge hier nicht aufsetzen?“, beschreibt Intralogistik-Experte Thomas Eußner vom Netzwerkpartner. Und die Antwort darauf lieferte der „L-Matic HD“ mit seinem integrierten Initialhub. Die Funktion aktiviert sich automatisch an der Passage und sorgt für ein Plus an Bodenfreiheit, sodass die Rampe beschädigungsfrei passiert werden kann.
Mit Blick auf die beengten Platzverhältnisse gewährleisten etwa angepasste Sensorfelder der Geräte, Side-Bumper und 360-Grad-Sicherheitsspiegel sichere Prozesse. „Letztere haben wir an kritischen Ecken auf Rat des Netzwerkpartners in Eigenregie angebracht. Fährt ein Gerät einen solchen Punkt an, leuchten rote LEDs auf und weisen unsere Beschäftigten auf das nahende Fahrzeug hin“, erzählt Oechsler Logistikchef Sebastian Hornung. Einem intelligenten Traffic Management ist es indes zu verdanken, dass an bestimmten Stellen sogar ein Begegnungsverkehr der „Linde L-Matic HD“ realisiert werden konnte.
Ein Durchlaufregal schafft neuen Platz
Die ersten Challenges gemeistert – und direkt weiter zur nächsten. Oder besser: nochmal etwas weiter vorn angesetzt. Die Produktion bei Oechsler läuft dreischichtig rund um die Uhr. Das Logistik-Team arbeitet jedoch im Zweischichtbetrieb. Eine Pufferung der während der Nachtschicht produzierten Güter wäre auf Bodenflächen aus Platzgründen nicht abbildbar gewesen. So kam im Rahmen der gemeinsamen Simulation mit Ernst Müller Fördertechnik die Idee zur Installation eines Durchlaufregals aufs Tapet. Dank der Fähigkeit der „Linde L-Matic HD“, Waren in bis zu vier Metern Höhe einzulagern, konnte dieses sogar in zweistöckiger Ausführung errichtet werden. Die Geräte erkennen mit ihrer Sensorik, welche der 2 x 2 Bahnen gerade belegt sind und platzieren die fertige Ware auf freien Plätzen. „So können wir auf identischer Fläche die doppelte Menge an Paletten lagern und gewährleisten 24/7 einen kontinuierlichen Abfluss aus der Produktion“, zeigt sich Sebastian Hornung zufrieden.
Drei Fahrzeuge, 85 Kilometer Strecke
Zufriedenheit ist in Ansbach auch das Stichwort, wenn es um die Performance der selbstfahrenden Lagerhelfer geht. Im Lastenheft gaben die Verantwortlichen für das Dreiergespann insgesamt 22 Fahrten pro Stunde vor – ein Wert, der im laufenden Betrieb problemlos gehalten werden kann. „Da wäre sogar noch Potenzial nach oben, aber so passt es gerade am besten in unsere Prozesse“, sagt Sebastian Hornung. Doch woher wissen die Geräte, an welcher Stelle in Fertigung und Lager sie gerade gebraucht werden? Hornung erläutert: „Wir haben an den Aufnahmestellen Sensoren installiert, die erkennen, ob an der betreffenden Stelle gerade etwas ‚parkt‘. Ist das der Fall, werden die Fahrzeuge automatisch angefordert und scannen vor Ort einen manuell angebrachten Barcode mit Zielinformationen“, informiert der Logistikchef. Unterm Strich legen die drei „Linde L-Matic HD“ so täglich rund 85 Kilometer zurück und orientieren sich dank Konturnavigation selbsttätig im Raum, ohne auf Führungsschienen angewiesen zu sein. „Ein großer Vorteil, der das Linde-Angebot klar von den Lösungen anderer Marktbegleiter unterscheidet“, hebt Hornung hervor.
Nochmal zurück zu Asterix, Obelix und Idefix: Verantwortlich für die Namensgebung zeichnete nicht das Management – stattdessen ließ Oechsler die Beschäftigten in einem Voting abstimmen. Und so steht diese Tatsache stellvertretend für den großen Elan, mit dem man das Projekt von Kundenseite anging. „Wenn Sie so etwas machen, dann müssen Sie die Leute von Tag eins an mitnehmen“, betont Chief Operating Officer Christoph Faßhauer. „Mitnehmen heißt: transparent kommunizieren, schulen, Vorbehalte abbauen und ganz konkret einbinden, wo es Sinn ergibt.“ Ein Beispiel für letztgenannten Punkt hat mit den roten LED-Streifen zu tun, die die Linde-Fahrzeuge auf den Hallenboden projizieren. „Eigentlich überlappen sich diese Sicherheitslinien, doch wir wollten das optisch feinschleifen. Also haben wir unsere Azubi-Werkstatt nach einer Lösung suchen lassen. In ein paar Tagen Arbeit haben sie justierbare Abdeckkappen für die LED-Leuchten entwickelt. Jetzt ist alles perfekt bündig“, berichtet Head of Logistics Sebastian Hornung.
Das ganze Team profitiert von den Geräten
Auch bei der Markierung der Abholplätze hat der Kunststoffspezialist eigene Ideen eingebracht. Damit die Beschäftigten die Warenträger dort optimal für die „Linde L-Matic HD“ abstellen können, wurden spezielle Metall-Anschläge platziert; diese lassen sich – zum Beispiel im Fall von Restrukturierungsmaßnahmen – unkompliziert entfernen und an anderer Stelle wieder verschrauben. „Inzwischen wissen alle hier: Die Geräte gehören fest dazu, machen das Arbeiten auf sämtlichen Ebenen einfacher und das ganze Team profitiert“, zieht Sebastian Hornung Bilanz – und ergänzt: „So kann es gerne weitergehen!“ Zum Beispiel mit der Automation der Logistikprozesse am Standort im bayerischen Weißenburg? Vielleicht wartet dort ja schon die nächste Erfolgsgeschichte … (ck)
Eine Information von Linde MH
» Ein großer Vorteil der Automatisierungslösung von Linde MH war, dass wir keine Veränderungen an der Infrastruktur vornehmen mussten.
Redaktion (allg.)
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