Dreiklang: Mode, Technologie, Logistik
Seit Gründung im Jahr 2008 hat sich Zalando zu Europas führender Online-Plattform für Mode und Lifestyle entwickelt. Das Warensortiment umfasst mehr als 450.000 Artikel und bietet eine große Auswahl an Bekleidung, Schuhen, Kosmetik und Accessoires. Darunter befinden sich über 2.000 weltweit bekannte Marken, aber auch lokale Brands und Private Labels. Bedient werden derzeit mehr als 29 Millionen aktive Kunden in 17 Ländern, für die ein positives Einkaufserlebnis, die sogenannte „Customer Experience“, vermehrt von immenser Bedeutung ist – insbesondere im B-to-C-Geschäft. Mit der Inbetriebnahme der neuen Lager- und Distributionsdrehscheibe im schwedischen Brunna hat sich die Zahl der zentralen Zalando-Logistikzentren europaweit auf mehr als zehn erhöht. Die verkehrsgünstig gelegene Anlage erstreckt sich über eine Fläche von rund 30.000 Quadratmetern. Dies entspricht in etwa der Größe dreier Fußballfelder. „Für Zalando gehören die nordischen Länder zu den am schnellsten wachsenden Regionen und wir wollen dort sowohl mit Blick auf Umsatz und aktive Kunden weiter zulegen“, sagte Kenneth Melchior, Director Northern Europe bei Zalando, anlässlich der offiziellen Eröffnung am 24. Januar 2019. „Dafür müssen wir näher an unseren Kunden sein. Schnellere Lieferzeiten und ein lokal abgestimmtes Sortiment sind für uns zwei ganz entscheidende Zutaten.“
Automatisierung als Instrument des Service-Managements
Seit der Errichtung des Erfurter Logistikzentrums 2012 verfolgt Zalando konsequent die Strategie, Mitarbeiter durch weitestgehend automatisierte Prozesse zu unterstützen. So werden einerseits Durchlaufzeiten minimiert und andererseits neueste Technologien eingesetzt, die Mitarbeiter von monotonen und körperlich anstrengenden Aufgaben entlasten. Gleichzeitig trägt die Automatisierung dazu bei, flexibler auf die Verfügbarkeit von Arbeitskräften reagieren zu können. Diese Maxime findet auch in Brunna ihren Ausdruck.
Herzstück des dort installierten Auftragsabwicklungssystems ist der Taschensorter „Airtrax Pocket“ von Vanderlande, der speziell konzipiert wurde, um die Anforderungen des weiter boomenden Omnichannel-Handels zu bedienen. „Das Pocket-System eignet sich vor allem bei Warensortimenten, die schnell wachsen und sich häufig ändern“, erklärt Dr. Wolfgang Schwarzer, Senior Manager bei Vanderlande Mönchengladbach. In hochfrequentierter Umgebung lassen sich große Warenvolumina effizient und sicher lagern, transportieren, sortieren und sequenzieren.
Die Pocket-Lösung ist eine Weiterentwicklung des „Airtrax“-Hängewaren-Systems und wurde bei Zalando in Brunna erstmals in einem Pilotprojekt umgesetzt. Dank seiner Skalierbarkeit lässt sich der Sorter, der neben Hänge- auch Liegewaren aufnehmen und befördern kann, flexibel an schnell expandierende und dynamische Produktportfolios anpassen.
Modifikationen sind insbesondere auf Materialebene erfolgt, um die Wartungsfreiheit und Verfügbarkeit bei einer minimalen Anzahl etwaig benötigter Ersatzteile nochmals zu steigern. So sorgt zum Beispiel ein Friktionsantrieb für eine unterbrechungsfreie Überbrückung der Distanzen. Dank der Kettenglieder aus Kunststoff, die weder geölt noch gefettet werden müssen, ist ferner sichergestellt, dass ungeschützte Waren nicht verschmutzen und die Kunden ihr Wunschprodukt in tadellosem Zustand erreichen.
Sichere Auftragsabwicklung per State-of-the-Art-Aggregat
Mit der Auftragsvergabe Anfang 2018 setze Zalando die bereits mehrjährig währende, erfolgreiche Zusammenarbeit mit Vanderlande fort. Dazu Carl-Friedrich zu Knyphausen, Head of Logistics Development bei Zalando: „Vanderlande hat sich bereits an den Standorten Erfurt und Mönchengladbach als performanter Lieferant präsentiert und sich durch die hohe Produktivität der Systeme qualifiziert.“
Im Fall des neuen Logistikzentrums in unmittelbarer Nähe der schwedischen Hauptstadt sah der ambitionierte Terminplan einen Go-live vor dem Start der Wintersaison noch im gleichen Jahr vor. Zeitgleich war eine Durchsatzleistung von rund 8.000 Artikeln pro Stunde sicherzustellen. „Das zugesagte Zeitfenster wurde eingehalten und es konnte bereits in dieser ersten Phase eine Verfügbarkeit von 99,87 Prozent erreicht werden“, so zu Knyphausen weiter. Der in Kompaktbauweise konzipierte „Airtrax“-Pocket-Sorter beansprucht eine Grundfläche von lediglich 2.100 Quadratmetern, wobei hiervon etwa ein Drittel doppelstöckig ausgelegt ist.
Der geringe Platzbedarf versetzt Zalando eigenen Angaben zu Folge in die Lage, zukünftige Erweiterungen, etwa des Batchpuffers, jederzeit vornehmen zu können. Aus dem Lager heraus kommissionierte Auftragsgruppen werden in Reihenfolge sortiert und den Packplätzen auftragsrein zugeführt. Ganz konkret bedeutet dies, dass die Artikel an den Pocket-Beladestationen gescannt und in eine der bereitgestellten Taschen übergeben werden, wo sie sich temporär auch zwischenlagern lassen.
Auf ihrem weiteren Weg durchlaufen die Pockets sogenannte „Pre-Sort-Strecken“, wo eine Zusammenführung zu Sorter-Batches erfolgt. Diese werden durch den dreistufigen Sequenzer in Reihenfolge der Aufträge sortiert. Abgeschlossene Kundenaufträge gelangen schließlich zu den insgesamt 36 Packplätzen, wo sie für den Versand aufbereitet werden.
Der zugehörige Materialflussrechner koordiniert den Warenfluss beziehungsweise die Sortierung der Taschen, um die Aufträge entsprechend der Vorgaben des Zalando-Hauptrechners auftragsrein zu den Packplätzen zu leiten. Die unterlagerte SPS-Steuerung übernimmt die prozessnahe Steuerung der Antriebe, Weichen und der weiteren Schalt- und Steuerelemente. Eine integrierte Prozessvisualisierung liefert permanent Statusmeldungen hinsichtlich der Abläufe sowie des Betriebszustandes der Anlage, sodass konstant Transparenz gewährleistet ist.
Überzeugendes Gesamtpaket für das operative Geschäft
Es befinden sich 6.500 Taschen im System. Nicht im Umlauf befindliche Pockets werden in einem Leertaschenspeicher, der als parallel angeordnete Staubahnen ausgebildet ist, bereitgehalten, um bei Bedarf direkt wieder zur Verfügung zu stehen. „Der zentrale Vorteil des ‚Airtrax Pocket“ besteht darin, dass aus einer großen Menge verschiedener Artikel eine große Menge an Kleinaufträgen schnell und mit höchstmöglicher Genauigkeit versandfähig sortiert werden kann“, unterstreicht Dr. Wolfgang Schwarzer.
Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, Artikel platzschonend zu lagern und dabei im direkten Zugriff zu halten. Unterstützt wird zudem die Abwicklung von Retouren, da zurückgesandte Waren direkt verarbeitet und quasi automatisch für weitere Kunden zur Verfügung gestellt werden können.
„Ohne dieses Taschensorter-System wäre die Dauer vom Auftragsstart bis zur Bereitstellung des Auftrages am Versandtor deutlich länger. Den Zeitaufwand vom Picken der Artikel im Lager bis zur Auslieferung der Aufträge haben wir somit drastisch reduzieren können“, resümiert Bruno Ramos Caballer, Projektleiter bei Zalando. Das Ziel, eine zeitnahe und zugleich fehlerfreie Auftragsabwicklung respektive Belieferung der Kunden zu realisieren, ist somit erreicht.
Überzeugt hat zudem die Übersichtlichkeit des Ersatzteilpakets. Durch den modularen Aufbau der Technik, der Wartungsfreiheit des Kernelements, nämlich der ohne Spannstation und Öle arbeitenden Kette, an der die Taschen aufgehängt sind, sowie angesichts der schnellen Austauschbarkeit von Einzelelementen reduziert sich das Ersatzteilpaket in etwa auf die Größe eines Pilotenkoffers.
Zugewinn an Marktanteilen und weitere Expansion im Fokus
Bei Zalando ist man sich sicher, dass der Dreiklang aus Mode, Technologie und Logistik den Kunden und Markenpartnern einen entscheidenden Mehrwert bietet. Mit einem lokal abgestimmten Sortiment in Verbindung mit kurzen Lieferzeiten hat die Online-Plattform nun die Voraussetzungen dafür geschaffen, seine Position in einem prosperierenden Markt weiter ausbauen zu können. Dazu trägt auch bei, dass mit dem neuen Logistikzentrum die Lieferzeiten in die Nordics halbiert werden können.
Mit dem in Brunna realisierten, vergleichsweise kleinen System wollte sich Zalando zunächst einen ersten Eindruck von der Leistungsfähigkeit der neuentwickelten Sortier- und Sequenzierlösung verschaffen. „Wir sind sowohl von der Beratungsleistung und Zuverlässigkeit der Mannschaft von Vanderlande als auch der umgesetzten Pocket-Lösung überzeugt und werden weitere Projekte mit dem Unternehmen starten“, führt Carl-Friedrich zu Knyphausen weiter aus.
Auch ein Systemausbau an diesem neuen Standort rückt schon jetzt in den Fokus. Denn bei einer möglichen Erweiterung des Batchpuffers könnten pro Kommissionierlauf deutlich mehr Artikel gepickt werden, sodass die Effizienz insgesamt steigt. Bei aller Technikbegeisterung ist für den Online-Händler aber das Zusammenspiel von Mensch und Maschine wichtig: Im neuen Logistikzentrum wurden Arbeitsplätze für rund 500 Menschen unterschiedlichster Nationalitäten geschaffen.
(jak)
Jan Kaulfuhs-Berger
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Dreiklang: Mode, Technologie, Logistik | 1.86 MB |
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