Logistik unter Strom
Das Unternehmen ist als familiengeführter elektrotechnischer Großhändler marktführend im Raum Württemberg sowie im nördlichen Bayern. Löffelhardt beliefert Industriekunden und den Elektrofachhandel sowie das Elektrohandwerk mit einem breiten Sortiment elektronischer und elektrotechnischer Produkte – von der Aderendhülse über SPS und Frequenzumrichter bis hin zu Schaltschränken und tonnenschweren Kabeltrommeln.
„Wir haben fast alles im Sortiment, durch das Strom fließt“, sagt Rainer Rommel, der das Unternehmen in vierter Generation zusammen mit seiner Schwester Sabine Bachmann führt.„Unsere Produktvielfalt stellt hohe Anforderungen an die Logistik. Denn im Prinzip ist jede Bestellung ein Überraschungspaket, das Flexibilität erfordert“, so Rommel weiter.
Dreh- und Angelpunkt der Logistikprozesse ist das Zentrallager in Schorndorf. Von hier aus beliefert Löffelhardt nicht nur seine 20 Filialen, sondern auch seine Kunden – wenn erforderlich bis auf die Baustelle. Dabei ist es der Wunsch der Kunden, dass die Artikel für jedes ihrer Projekte in einem eigenen Karton und mit separater Kommission geliefert werden. „Auch in der Industrie wird eine derartige Kostenstellen-Belieferung immer häufiger vorausgesetzt“, schildert Rommel. „Zudem verlassen sich insbesondere Handwerker darauf, die bestellte Ware innerhalb von 24 Stunden in einem genau definierten Zeitfenster zu erhalten – am besten morgens, so dass sie diese direkt zur Baustelle mitnehmen können.“
Solch eine Flexibilität und Leistung konnte das bisherige Zentrallager in Fellbach, das bereits 1995 modernisiert wurde, nur noch bedingt leisten. „Aufgrund unseres Wachstums mussten wir externe Kapazitäten anmieten“, erinnert sich Rainer Rommel. Obwohl das alte Logistikzentrum ebenso papierlos arbeitete und über ein automatisches Hochregal- und Tablarlager verfügte, stieß das Unternehmen an die Grenzen. Im Kleinteilelager, das mit einer drei Stockwerke hohen manuell bedienten Fachbodenregal-Anlage ausgestattet war, mussten die Mitarbeiter zuletzt weite Strecken zurücklegen, um die Aufträge abzuarbeiten.
Umzug des gesamten Hauptsitzes des Unternehmens
Schließlich entschied sich Löffelhardt für den Neubau. Da Büroraum ebenfalls knapp wurde, verlegte das Unternehmen seinen gesamten Sitz nach Schorndorf – hier bot ein ehemals von Bauknecht genutztes Gelände ausreichend Platz, um sämtliche Ideen für das zukünftige Geschäft des Elektrogroßhändlers umzusetzen. So entstand neben zusätzlichen Büroräumen auch ein Zentrum für Schulungen und Workshops mit unternehmenseigenen Referenten, denn eine Besonderheit von Löffelhardt ist der umfassende technische Support durch seine Fachberater. Zwei der bestehenden Hallen hat Löffelhardt kernsaniert und teilweise für das Lager genutzt.
Neu gebaut wurde das achtgassige Hochregallager, das mit einer Höhe von 27 Metern Platz für über 17.500 Paletten bietet. In diesem liegen vor allem große voluminöse Artikel wie Schaltschränke. Zudem dient es als Vorrat für die fünfgassige Shuttle-Anlage, die mit 91.520 Behälterplätzen schnelldrehende Elektroartikel wie Schalter, Steckdosen, Sicherungen oder Steuerungskomponenten sowie Elektronikprodukte aufnimmt. 220 Shuttles lagern die Artikel automatisch ein, um und aus. In einem automatischen, eingassigen Tablarlager sind außerdem bis zu drei Meter große Langgut-Produkte, wie Kabelkanäle oder Leuchten, untergebracht. „Die Kombination aus vollautomatischem Hochregallager, Langgutlager mit Tablarböden und Shuttlelager ist in dieser Art und Größe einzigartig“, merkt Rommel an.
Langfristig gedachte Maßnahme
Insgesamt investierte das Unternehmen rund 50 Millionen Euro in den Umzug, etwa 20 Millionen davon flossen in die Lagertechnik. „Das war ein historischer Schritt in unserer 115-jährigen Geschichte. Aber ohne diese Investition hätten wir nicht weitermachen können und unser Unternehmen auf lange Sicht verkaufen müssen“, stellt Rommel die Bedeutung des Neubaus heraus.
Dabei zählte nicht etwa der schnelle Return-on-Investment: „Wir denken in Dekaden und wissen, dass es zukünftig immer schwieriger werden wird, verlässliches Logistikpersonal zu finden.
Außerdem wollten wir eine skalierbare Lösung für unsere Logistik, die mit der Geschäftsentwicklung mitwachsen kann – und das funktioniert nur mit der richtigen Technik. Natürlich musste die zuverlässige und schnel-le Belieferung unserer Kunden weiterhin sichergestellt sein.“
Logistikprozesse als Ganzes realisiert
Um all diese Anforderungen zu vereinbaren, erstellte das Beratungs- und Planungsunternehmen Agiplan ein Konzept. Mit der Ausführung des lagertechnischen Teils beauftragte Löffelhardt den Stuttgarter Intralogistik-Experten Viastore. „Uns war wichtig, dass der Logistikprozess als Ganzes funktioniert und zwischen den einzelnen Lieferanten keine Diskussionen entstehen. So lebt Viastore seine Aufgabe als Systemintegrator“, erläutert Rommel. Dabei hat es keine Rolle gespielt, dass Viastore nicht alle Techniklösungen selbst herstellt – beim Tablarlager setzte Löffelhardt zum Beispiel auf den Hersteller, der jenes am vorherigen Standort ausgerüstet hatte.
Für Viastore war das kein Problem, erklärt Andreas Rall, der für das Projekt verantwortliche Senior Sales Manager: „Wir sind ein technologieunabhängiger Systemintegrator, der die für unsere Kunden beste Lösung bereitstellt. Das können entweder die von uns hergestellten Automatiksysteme und Softwarelösungen sein, wie hier die Paletten-Regalbediengeräte, die Steuerungen der Förderanlage und das Materialflusssystem, wie auch Elemente von anderen Herstellern.“
Herausforderungen
Das Zusammenführen der verschiedenen Bereiche war nicht nur im Hinblick auf die Software eine Herausforderung, da alle Systeme in die Materialflusssteuerung integriert und an die Lagerverwaltungssoftware angebunden werden mussten. Insbesondere im Palettenlager und der Vorzone steckten die Tücken im Detail – auch aufgrund der notwendigen Anpassung der Technik an das vorhandene Gebäude. Neben der üblichen Europalette hat Löffelhardt eine 1.600 Millimeter breite Palette im Einsatz. Diese muss sich gleichermaßen reibungslos im Hochregal einlagern und zuverlässig von der Fördertechnik transportieren lassen. „Zudem haben wir ein Pick-und-Pack-Verfahren umgesetzt, das die für einen Auftrag passenden Kartons automatisch aufrichtet und synchron zum Behälter aus dem Lager an den Kommissionierplatz liefert“, führt Andreas Rall aus.
„Die größte Herausforderung lag aber in den vereinbarten Leistungs- und Massentests, mit denen die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems nachgewiesen werden sollte“, präzisiert Rainer Rommel. Denn beim Hallenbau und der Einbindung des Lagerverwaltungssystems gab es Verzögerungen. „Daraufhin hat Viastore den Projektplan abgeändert und die Gewerke einzeln abgenommen – diese Flexibilität hat uns wieder etwas Spielraum verschafft. Denn so konnten wir die Teilbereiche früher produktiv nutzen. Hätten wir warten müssen, bis alle Gewerke abgeschlossen gewesen wären, hätte uns das viel Zeit gekostet.“
Produktivität deutlich gestiegen
Die erste Bewährungsprobe kam mit den traditionell umsatzstärksten Monaten Oktober bis Dezember. Das neue Lagersystem bewältigte diese Aufgabe problemlos. „Wir können die Bestellungen unserer Kunden heute deutlich günstiger und organisierter abarbeiten, als das früher möglich war“, resümiert Rainer Rommel zufrieden.
Auch die zusätzlichen Auftragsmengen, die sich im Jahr 2020 durch die Eröffnung einer neuen Filiale ergaben, bewältigte das neue Logistikzentrum problemlos – und bestätigte damit genau die Skalierbarkeit, die Rainer Rommel erzielen wollte. Neue Mitarbeiter können bereits nach nur 15 Minuten Einarbeitung die Aufträge mit höchster Zuverlässigkeit kommissionieren. „Dieser Vorteil lässt sich mit einem ROI kaum ausdrücken“, verdeutlicht Rommel. „Insgesamt ist die Produktivität enorm gestiegen – und wir liegen damit bereits heute deutlich über der ursprünglichen Planung.“
Neue Chancen für die Kunden
Davon profitieren auch die Kunden von Löffelhardt: „Abends bestellen, und am nächsten Morgen wird sicher geliefert – das ist nur mit einem hohen Technisierungsgrad möglich“, weiß Rommel. „Wir denken sogar darüber nach, die Bestellzeiten noch einmal weiter in den Abend zu verschieben – mit der Geschwindigkeit, die wir mittlerweile erreichen, ist das tatsächlich realisierbar.“ Mit der neuen Lösung konnte Löffelhardt die Kapazitäten deutlich erhöhen: Während im alten Lager 33.000 Artikel im Bestand waren, sind es heute 35.000: „Das heißt, wir können über neue arrondierende Produkte nachdenken und den Bestand um Waren für neue Geschäftsfelder wie zum Beispiel Sicherheitstechnik ergänzen – mit denen sich wiederum unsere Kunden neue Tätigkeitsfelder erschließen können.“
Inzwischen entwickelt das Unternehmen schon die nächsten Optimierungsprojekte: Als erstes ist die Einrichtung eines Technik-Leitstands vorgesehen: „Damit setzen wir eine Empfehlung von Viastore um“, erklärt Rainer Rommel. „Denn mit dem höheren Automatisierungsgrad ist die technische Abhängigkeit der einzelnen Komponenten bei einem Ausfall höher als im alten Lager. Der Leitstand erlaubt über die Anlagenvisualisierung die schnelle Lokalisierung von Problemen und ermöglicht eine einfachere Wartung. Unser Technik-Personal haben wir hierfür bereits aufgestockt. (jak)
Jan Kaulfuhs-Berger
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