Intralogistik in „Post-Corona-Zeiten“

Trends in der Lagerautomatisierung mit Shuttles

Das Jahr 2020 war bisher voller Herausforderungen für Unternehmen fast aller Branchen – die Wirtschaftskrise, welche auf die Pandemie folgte, sorgt nicht nur für große Volatilität bei den Bedarfen, sondern beschleunigt ohnehin bestehende Trends. Digitalisierung und Automatisierung der Produktion und Logistik sind das Gebot der Stunde. Ein höherer Automatisierungsgrad, eine stärkere Entkopplung der Lieferketten zur Sicherstellung der Lieferfähigkeit und mehr Lieferpositionen bei kleineren Losgrößen. Vieles davon kommt uns bereits bekannt vor, Umsetzungen passieren allerdings plötzlich im Zeitraffer.

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Shuttle-Systeme sind dabei wie geschaffen für die „Post-Corona-Welt“ der Intralogistik, zumindest für die Unternehmen, die ihre Chance nutzen und gestärkt aus der Krise hervorgehen. Flexibilität, Skalierbarkeit und Dynamik sind die Werte, auf die es dabei für die Entscheider im Supply-Chain-Management mehr denn je ankommt. Wachstum findet dabei sowohl bei den großen Verteilzentren statt als auch nah an den Verbrauchern. Während der Lockdowns haben viele von uns erstmals mit Lieferdiensten für Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs experimentiert. Es liegt nahe, dass diese ihren Marktanteil zu Lasten des stationären Handels ausbauen konnten und dieser Trend auch künftig bestehen bleiben wird.

Zahlreiche Projekte in den USA und in Europa

Der Schlüssel für ein profitables Endkundengeschäft in diesem Bereich sind eine leistungsfähige Lieferkette und strikte Kostenkontrolle auf der letzten Meile. Schnell, mit hoher Qualität und Auswahl sowie mit günstiger oder gar kostenloser Lieferung klingt wie die Quadratur des Kreises, wird aber zumindest in Großstädten schon heute durch die sogenannten Microfulfilment-Center ermöglicht. Aufgegebene Einzelhandels-Immobilien bekommen damit eine zweite Chance als kleines Distributionszentrum mit Shuttle-Lagern, und der Konsument bekommt seine bestellten Lebensmittel in weniger als zwei Stunden nach Hause geliefert.

Viele Shuttle-Hersteller sind auf diesen Zug aufgesprungen – Projekte werden mittlerweile zahlreich vor allem in den USA aber auch in Europa realisiert. Dabei lassen sich sowohl Trockensortiment als auch Frisch- und Tiefkühlwaren in eine automatisierte Lösung integrieren. Aber auch in der Produktion weht zwischenzeitlich ein anderer Wind. Schon vor der Pandemie sorgten Handelskriege aber auch der Kampf gegen den Klimawandel für eine Umkehrung des Trends zu global vernetzten Wertschöpfungsketten. Nationale und regionale Unabhängigkeit und verkürzte Transportwege fließen verstärkt in das Kalkül der Unternehmen ein. Hersteller von Investitionsgütern haben mittlerweile die Chance erkannt, die sich durch diese Regionalisierung der Produktion ergeben.

Hinzu kommen komplementäre Technologien wie die additive Fertigung (3D-Druck) und die Nachfrage nach individualisierten Produkten in kleiner Stückzahl. Eine Produktion in der Europäischen Union ist in einer flexiblen, (teil-) automatisierten Produktion für viele Güter bereits wirtschaftlicher als ein Import aus Fernost – vor allem wenn man auch vermiedenen CO2-Ausstoß und schnellere Lieferbarkeit mit berücksichtigt. In der Produktionslogistik sorgen Shuttles dabei zunehmend für eine Versorgung der Montagelinien mit unterschiedlichen Teile-Varianten just-in-sequence. Dabei verlassen die flexibel gewordenen Fahrzeuge auch schon mal den Regalbereich und liefern die Behälter unmittelbar an die Produktionszelle.

Flexible Systemlösungen für Shuttles

Seit zwei Jahrzehnten begleitet Conductix-Wampfler als Hersteller von Energie- und Datenübertragungssystemen erfolgreich die Entwicklungen im Shuttle-Markt und ist verlässlicher Lösungsanbieter und Partner von Shuttle-Herstellern und Integratoren. „Der Trend geht auch in der Intralogistik von der elektro-mechanischen Komponente hin zu einem Komplettsystem“, so Sacha Attinger, Produktmanager für Schleifleitungssysteme bei Conductix-Wampfler am „Center of Excellence“ in Weil am Rhein. „Der Vorteil klassischer Schleifleitungssysteme wie unserer ‚Multiline 0835‘ liegt in der kompakten Bauform und der direkten Stromzuführung. Das spart Platz, erlaubt besonders leichte Shuttles, ermöglicht die gleichzeitige Übertragung von Energie und Daten und sorgt für eine einfache Notabschaltung. Diese Technologie wird auch in Zukunft bei dynamischen Shuttles, die auf hohen Durchsatz ausgelegt sind, technisch und wirtschaftlich die beste Lösung bleiben.“, so Attinger. Auf diesem bewährten Produkt setzt eine kompatible Neuentwicklung auf: „Chargeline Programm 0865“ wurde speziell für flexible Shuttles entwickelt, die über einen aufzuladenden Energiespeicher verfügen. „Der Fokus in dieser Entwicklung lag auf einer hohen Zuverlässigkeit und Standzeit sowohl der Einfahrtrichter als auch der Stromabnehmereinheiten, die bei einer millionenfachen, dynamischen Überfahrt über das Ladesegment durch die Shuttles Grundvoraussetzung sind. Die Erfüllung dieser Anforderungen wurden auf unserer eigenen Testanlage mit entsprechenden Dauertests nachgewiesen“, führt Attinger weiter aus. Typische Ladepunkte befinden sich zum Beispiel vor dem Heber an den Übergabepunkten für Behälter, Tablare oder Kartons, so dass während der normalen Zykluszeit nachgeladen werden kann. Der Vorteil eines so ausgestatteten Shuttles ist eine hohe Flexibilität und auch Skalierbarkeit des gesamten Systems. Die Fahrzeuge können einfach Gassen oder Ebenen wechseln und werden in dieser Zeit aus dem Energiespeicher versorgt.

Sichere Funkübertragung für den Nothalt

Der Energiespeicher bringt jedoch auch eine Herausforderung mit sich. Das Notaus-Konzept für einen Shuttle-Block muss überdacht werden. Ein einfaches festverdrahtetes Abschalten des Stroms ist nicht mehr möglich. „Mit ‚Jay Radiosafe‘ bieten wir eine zertifizierte, sichere Funkübertragung für den Nothalt von Shuttles und mobilen Robotern an. Durch sichere Relais kann ein Lagersystem in kürzester Zeit in einen sicheren Zustand gebracht werden, ohne die Steuerung komplett abzuschalten. Jedes Shuttle ist also weiterhin ansprechbar und kann im Falle eines Fehlalarms schnell bei bekannter Position wieder anfahren“, erklärt Romain Herry, Business Development Manager Jay bei Conductix-Wampfler. Mit der Tüv-Zertifizierung gemäß SIL3/Performance Level-E werden die derzeit höchsten Sicherheitsanforderungen für Maschinen erfüllt. „‚Jay Radiosafe‘ ist auch in verschiedenen Versionen für den europäischen, amerikanischen und asiatischen Markt verfügbar, um die Funknormen der unterschiedlichen Regionen abzudecken.“, ergänzt Herry. Namhafte Hersteller setzen „Jay Radiosafe“ bereits in mehreren Großanlagen im Online-Handel erfolgreich in der Serie ein – mit zum Teil mehr als 1.000 Robotern pro Lager.

Redaktion (allg.)

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