Die richtigen Weichen stellen
Eine funktionierende Logistik ist Lebensader und Rückgrat der Wirtschaft – das haben die zwei letzten Jahre deutlich gezeigt. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an einen effizienten Warenumschlag: Fachkräftemangel, Online-Handel sowie wirtschaftliche Unsicherheiten sind nur einige Ursachen. In der Folge suchen immer mehr Betriebe nach Automatisierungslösungen. Gefragt sind vor allem flexible, skalierbare Systeme, die sich an schwankende Auslastungen anpassen und schrittweise erweitern lassen. Denn die Logistik als dynamischer Dreh- und Angelpunkt der Warenversorgung muss permanent auf Kapazitätsschwankungen reagieren und sie ausgleichen. Puffer sind über FTS realisierbar. Zudem eröffnen verschiedene Varianten – neben FTS auch die Autonomous Mobile Robots (AMR) – neue Möglichkeiten und Freiheitsgrade. Viele Anlagenbetreiber setzen bei Automatisierungslösungen auf Standards, weil sie sich schnell implementieren, modular erweitern und im besten Fall durch Parametrisierung statt Programmierung auf individuelle betriebliche Gegebenheiten anpassen lassen.
Doch wie können Anlagenbetreiber die Automatisierung sinnvoll angehen? Vor allem erfordert die Komplexität und Individualität des Vorhabens ein gründliches Projektmanagement, bei dem alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen sind. Handelt es sich um eine Brownfield- oder um eine Greenfield-Anlage? Welche Waren sind zu transportieren und auf welchen Strecken? Erfolgt der Transport ausschließlich indoor oder auch im Außenbereich? Zunächst kann mit einem Potenzialcheck beziehungsweise einer Machbarkeitsanalyse beurteilt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein FTS-Einsatz im konkreten Fall wirtschaftlich sinnvoll und praktisch realisierbar ist.
Die Herangehensweise beim Thema Automatisierung ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Viele mittelständische Unternehmen sehen die Automatisierung von Prozessen als natürliche Evolution. Sie beginnen mit einfachen Transportaufgaben – um sukzessive darauf aufzubauen. Besonders bei Brownfield-Anwendungen ist diese Herangehensweise verbreitet; Betreiber wählen pragmatische Projektansätze, die sich an den Gegebenheiten ausrichten.
Zuverlässigkeit muss schon in der Anlaufphase gegeben sein
Ob ein Automatisierungsprojekt richtig geplant und umgesetzt wurde, zeigt sich in der Anlaufphase. Denn dann ist der Anlagenbetreiber erstmals allein auf sich gestellt. Verläuft diese Phase holprig und stockend, ist die Verfügbarkeit gering und es kommt zu Betriebsstörungen. Um dies zu verhindern, darf der Auftraggeber schon während der Implementierungsphase nichts dem Zufall überlassen. Besonders wichtig: Das Personal muss frühzeitig und in ausreichender Zahl geschult werden. Sowohl verantwortliche Personen für das Projekt oder wichtige Teilprojekte als auch Personen, die den künftigen Betrieb operativ übernehmen, müssen für die neue Aufgabe freigestellt und ausgebildet werden. Insbesondere sollten sie aber bereits in der Inbetriebnahmephase in die Realisierung eingebunden sein. Sonst fehlt wichtiges Know-how, wenn der Projektpartner nicht mehr vor Ort ist.
Die Lösung: In klaren Schritten zur erfolgreichen Inbetriebnahme
Für jedes Automatisierungsprojekt gilt: Um maximale Verfügbarkeit zu erreichen, muss das Projekt in allen Punkten von Anfang an sorgfältig durchdacht sein. An den Anfang gehört ein systematischer Projektplan als Herzstück und Basis für alle folgenden Schritte. Meist werden Projektpläne in verschiedene Phasen gegliedert, zum Beispiel Systemplanung, Feinplanung und Realisierung. Das hilft dabei, den Überblick zu behalten und klare Strukturen für den gesamten Zeitraum festzulegen. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten den Projektplan unterstützen; Diskrepanzen sind frühzeitig zu klären.
Große Bedeutung kommt einer realistischen Terminierung zu. Zu knapp bemessene Zeiträume nutzen keinem, sorgen im Gegenteil für Frustration, mindern die Ergebnisqualität und verschlingen letztendlich weitere, ungeplante Ressourcen. Unerlässlich ist zudem ein ausführliches Konzept, um alle neuen (Teil-) Prozesse gut abzustimmen. Neuerungen für die Beteiligten müssen gründlich diskutiert und durchdacht werden. Sind große Teile der Infra- und Ablaufstruktur im Lager umzustellen, gilt es, weiter folgende Konzeptschritte auf ihre Stimmigkeit hin zu überprüfen. Dabei empfiehlt es sich, den ausgewählten Projektpartner und Lieferanten schon früh miteinzubinden und seine Expertise zu nutzen.
Ausreichend Zeit für Schulungen und Trainings einplanen
Zu den oft unterschätzten Punkten gehört es, Verantwortlichkeiten von Anfang an zu klären. Konkrete Personen müssen für konkrete Projektbereiche zuständig sein. Nur dann werden Aufgaben und Ziele entsprechend vorangetrieben. Klassische Rollen im Projektmanagement sind zum Beispiel die des Planers, Anwenders und Realisierers. Auch die Bedienerqualifikation muss der Anlagenbetreiber frühestmöglich sicherstellen, sollen die automatisierten Prozesse später reibungslos in Betrieb gehen. Ausführliche Trainings und Schulungen sind für das Automatisierungsprojekt und dessen Zukunftsfähigkeit essenziell, deshalb ist hierfür ausreichend Zeit einzuplanen. Auch Notstrategien sind wichtig und bringen Sicherheit – trotz der besten Planung sind sie unverzichtbar. Ebenso empfiehlt es sich, Wartungsintervalle und Abläufe festzulegen. Es ist zu definieren, welche Wartung über die gesetzlich vorgeschriebenen hinaus sinnvoll sein kann und wer sie durchführen soll.
Ein durchdachter Projektplan ist das Fundament für den Erfolg. Aber woher weiß der Anlagenbetreiber, ob der Plan funktioniert oder ob Anpassungen notwendig sind? Das altbewährte Bauchgefühl hilft hier nur selten weiter. Daher ist es wichtig, Zwischenziele als Meilensteine festzulegen und den Projektfortschritt hieran zu messen. So bleibt das Gesamtziel im Blick. Welche Meilensteine konkret sinnvoll sind, variiert je nach Projekt. Grundsätzlich sind aber die Anforderungen in den jeweiligen Abschnitten zu verifizieren und freizugeben. Zum Schluss folgt die Endabnahme.
Klarer Start, Meilensteine und eine definierte Endabnahme
Das Automatisierungsprojekt benötigt ein klares „Go“. Der weithin kommunizierte Start dokumentiert die Freigabe der technischen Spezifikationen, der benötigten Fahrzeuge, der Software sowie der Fertigstellung des IT-Pflichtenheftes. Das, was hier festgelegt wird, bildet die Basis für die komplette technische Umsetzung und Ressourcenplanung des Projekts. Daher ist hier bereits das entsprechende Fachpersonal aus allen betroffenen Abteilungen miteinzubeziehen.
Eine definierte Endabnahme sorgt dafür, dass die festgelegten Vertragsbestandteile geliefert wurden. Allerdings ist nicht in allen Punkten, beispielsweise bei der Software, wirklich greifbar, ob es passt. Deshalb sind die Ergebnisse eines Meilensteins auf Herz und Nieren zu prüfen. Verschiedene Tests sind hilfreich: Der Kopplungs- beziehungsweise lntegrationstest verifiziert, ob die neue Software mit bestehenden Lösungen, etwa dem eigenen Warehouse-Management-System, kompatibel ist und die verbundenen Fahrzeuge harmonisch laufen. Ein Funktionstest stellt sicher, dass alle gelieferten Fahrzeuge störungsfrei arbeiten. Bei Leistungstests wird die Einzelleistung eines Fahrzeugs und die zugesagte Leistung des Gesamtsystems betrachtet. Schließlich ist der Verfügbarkeitstest der finale Test vor der Endabnahme und sollte mindestens 20 Stunden dauern, um die Funktions- und Betriebssicherheit der Anlage realitätsnah mit den in Frage kommenden Warenträgern und Lasten zu simulieren – und nicht zuletzt mit dem eigenen Personal. Dieser Test ist aufwändig, aber wichtig: Läuft hier alles reibungslos, kann die Automatisierungslösung erfolgreich starten.
Sauberes Projektmanagement = Erfolgreiche Lagerautomatisierung
Eine passgerechte Automatisierung ist Kern eines optimalen Materialflusses. Jeder Kunde kann die jeweils für ihn geeignete Automatisierungslösung finden. Mit mobiler Automatisierung (FTS und AMR) verbessern Anlagenbetreiber die Durchlaufzeiten des Warenumschlags, entlasten Mitarbeiter von sich wiederholenden Transportaufgaben und reduzieren Schäden und Unfälle. FTS sind sowohl an neue intralogistische Aufgaben als auch an veränderte Gebäudestrukturen anpassbar. Um den Erfolg von Automatisierungsprojekten nicht zu gefährden, sollte es nach der Übergabe durch den Projektpartner keine offenen Baustellen mehr geben. Vermieden wird das durch ein lückenloses Projektmanagement und einer zuverlässigen Prüfung von Technik und Software. Sowohl die geänderten Abläufe als auch die neue Lager-Infrastruktur sowie die Auslegung des Systems (z. B. die Anzahl von notwendigen automatisierten Lagerfahrzeugen) sind sorgfältig zu planen und zu projektieren – dann gelingt die Automatisierung und läuft von Anfang an zuverlässig.
Frank Heptner, Vice President Intralogistics Solutions, Sales & Realisation für Linde Material Handling


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