Zukunftssichere Logistik

Logistikanlage gespiegelt – Kapazität mehr als verdoppelt

Schon zur Eröffnung des neuen Werks von Edeka Südwest Fleisch im Juli 2011 in Rheinstetten mussten einige Superlative bemüht werden, um die Größe und die Leistungsfähigkeit der hocheffizienten Logistiksysteme im Produktions- und Distributionszentrum zu beschreiben. Dennoch führten die positive Umsatzentwicklung bei Edeka und eine Sortimentserweiterung schnell zu Kapazitätsengpässen. Daher wurde das vorhandene Logistiksystem jetzt bei laufendem Betrieb gespiegelt und die Anlagenkapazität damit quasi verdoppelt.

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Edeka zählt zu den Giganten im Lebensmittelhandel. Das Unternehmen betreibt in Deutschland 11.300 Märkte, davon 5.700 im selbständigen Einzelhandel, 1.300 im Regie Einzelhandel und 4.300 Netto Marken Discounter. Zudem gibt es etwa 3.700 selbständige Edeka-Unternehmer. Insgesamt setzt der Verbund 55,70 Millionen Euro per anno um. Sieben Großhandelsbetriebe der Regionen dienen der flächendeckenden Warenversorgung des angeschlossenen Einzelhandels. Die Edeka-Region Südwest umfasst fünf Bundesländer, 1.200 Märkte und 43.500 Mitarbeiter. Die Fleischversorgung dieser Region wurde bereits 2011 im Fleischwerk Rheinstetten gebündelt. Dort, verkehrsgünstig in der Nähe von Karlsruhe gelegen, entstand in nur zwei Jahren Bauzeit ein riesiger Produktions- und Logistikstandort mit einer Bruttogrundfläche von 52.700 Quadratmetern. Der Betrieb, der von der Edeka-Südwest-Tochter „Edeka Südwest Fleisch“ betrieben wird, zählt zu den modernsten und effizientesten Fleischverarbeitungsanlagen in Europa. Hier werden seitdem von etwa 1.000 Mitarbeitern Schweine und Rinder zerlegt, SB-Fleisch und Wurstwaren produziert und verpackt, mit zugelieferten Waren vervollständigt, disponiert und an mehr als 1.250 Einzelhandelsgeschäfte in der Region geliefert. Eine Jahrestonnage von 125.000 Tonnen mit circa 2.500 Verkaufsartikeln erbringt einen Umsatz von 670 Millionen Euro pro Jahr. „Das neue Fleischwerk mit seinem integrierten Logistikzentrum bedeutet für uns einen Quantensprung in der Produktivität“, stellte Jürgen Sinn, Geschäftsführer der Edeka Südwest Fleisch, seinerzeit zur Eröffnung des neuen Standortes fest. Der Logistikpart des neuen Werks wurde von Vanderlande als Logistik-Generalunternehmer in enger Kooperation mit dem Handelsunternehmen geplant und realisiert.

Kapazitätsgrenze überschritten

Das Wachstum des Unternehmens und die Möglichkeit, neue und zusätzliche Produkte wie Käse und Fisch zu verarbeiten, brachten das Werk jedoch schnell an seine Kapazitätsgrenzen. „Die Aufrechterhaltung der höchsten Produktqualität und die termingerechte Lieferung der richtigen Produkte sind für Edeka von entscheidender Bedeutung. Dies trägt zu einer hohen Kundenzufriedenheit in den Supermärkten bei und stärkt den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens“, begründete Jürgen Sinn den Entschluss, das bestehende Vanderlande-System in Rheinstetten zu verdoppeln. Edeka brauchte ein automatisiertes System, das seine Kapazität erhöhen konnte. Planen und errichten sollte es erneut der Lösungsanbieter aus Mönchengladbach. Sinn: „Vanderlande stellte ja bereits ein energieeffizientes und leistungsstarkes System bereit. Jetzt arbeiteten erneut beide Unternehmen eng zusammen, um sicherzustellen, dass Edeka die Flexibilität besitzt, aktuelle und zukünftige Marktanforderungen zu erfüllen.“ Da das System zu keinem Zeitpunkt gestoppt werden konnte, habe Edeka zudem einen Partner benötigt, der das erforderliche Equipment nahtlos installieren konnte, während das bestehende System voll funktionsfähig blieb. Eine Forderung, der den Logistik-Generalunternehmer vor große Herausforderungen stellte. „Ein solch großes und komplexes System im laufenden Betrieb zu spiegeln und damit die Kapazitäten mehr als zu verdoppeln ist alles andere als trivial. Hinzu kommt, dass wir uns dort im Temperaturbereich zwischen zwei Grad Celsius und fünf Grad Celsius bewegen. Für die Umsetzung haben wir unsere langjährige Erfahrung als Lösungsanbieter und Generalunternehmer in die Waagschale werfen müssen“, sagte Dr. Markus Ehrmann, Geschäftsführer von Vanderlande Deutschland. Zur Absicherung dieses erhöhten Schwierigkeitsgrades sei zunächst eine statische Vorauslegung der Erweiterungsbereiche durchgeführt worden. „Dafür haben wir die komplette Anlage virtuell nachgebaut und über ein halbes Jahr lang alle Abläufe sehr genau simuliert und analysiert. Erst dann wurde das Logistiksystem abschnittsweise erweitert. So intensiv haben wir diesen Planungsprozess bislang bei keinem anderen Projekt betrieben“, so Markus Ehrmann.

Shuttle-System ist das Herzstück der Anlage

Im Ergebnis installierte Vanderlande ein hochmodernes System, das Lager-, Kommissionier-, Abfertigungs-, Konsolidierungs- sowie Sortier- und Sequenzierungsaufgaben intelligent koordiniert. Dreh- und Angelpunkt war und ist auch nach der Erweiterung das 20-gassige „Quickstore High Dynamic Storage“ (HDS) von Vanderlande. Bislang bot es Platz für 50.000 Behälter und wurde von 141 Mehrebenen-Shuttles bedient, heute bedienen 307 Shuttles 107.000 Lagerplätze mit einer Aus- und Einlagerungskapazität von 24.000 Behältern pro Stunde. Dabei besteht das HDS aus zwei physischen Einheiten. HDS 1 übernimmt die Ware aus der Produktion, dem Wareneingang und der Depalettierung, fungiert als Nachschubpuffer für die Kommissionierung und Vollauslagerung, nimmt kommissionierte Ware auf und leistet die Auslagerungen der auslieferfertigen Behälter für die Rolli-Beladung in korrekter und kundengerecht sequenzierter Reihenfolge. Das HDS 2 dient als Nachschubpuffer für die dynamische Kommissionierung, sorgt für die Auslagerung zur Kommissionierung in korrekter Reihenfolge und versorgt die dynamischen Kommissionierstationen. „In Spitzenzeiten, beispielsweise in der Weihnachts- oder Osterzeit, wird das Shuttlelager zweieinhalb Mal am Tag komplett umgeschlagen. Dies beschreibt die extrem hohe Dynamik unseres HDS. ‚Quickstore‘ wird damit zur echten multifunktionalen Intralogistik-Drehscheibe auf engstem Raum“, betonte Vanderlande-Chef Markus Ehrmann. Hätte man all die Funktionen, die das HDS übernimmt, anders organisieren müssen, benötigte man viel mehr Raum und müsste in festgelegten Reihenfolgen arbeiten. „Dies aber würde unseren sehr hohen Flexibilitätsansprüchen nicht genügen. Für uns ist die modulgerechte Auslagerung sehr wichtig, damit wir die Auslieferung der kommissionierten Waren später in einer vorgegebenen Reihenfolge auf die Rollis absetzen können“, ergänzte Jürgen Sinn. Denn das Vorsortieren der Waren in definierte Familien-Gruppen erleichtere und beschleunige später das Einräumen der Lieferungen in den Filialen. Generell sei so auch die Lieferung von Kleinstmengen bis hin zum Einzelartikel möglich.

Nachschub aus dem Hochregallager

Immer dann, wenn im HDS der festgelegte Füllstand eines Artikels unterschritten wird, wird Nachschub aus dem Paletten-Hochregallager – dessen Kapazität im Rahmen der Erweiterung von etwa 3.500 Palettenstellplätze auf circa 7.200 Plätze mehr als verdoppelt wurde und heute von acht statt ehemals vier Paletten-Regalbediengeräten bedient wird – zugeführt. Dafür werden die Paletten für die Vereinzelung der Kisten und Kartons zu den neuerdings 20 manuellen und zu zwei vollautomatisch arbeitenden Depalettier-Robotern mit insgesamt vier Greifern transportiert. In den manuellen Stationen erhalten die Mitarbeiter die beladenen Paletten über Arbeitsschächte automatisch und in ergonomischer Arbeitshöhe angedient. Die entnommenen Behälter werden gescannt und direkt auf die Förderstrecke gesetzt. Kartons werden für ihren Weitertransport auf Tablare gesetzt. An einer manuellen Depalettierstation können maximal 460 Behälter pro Stunde bearbeitet werden. Die gesamte Systemleistung liegt nach der erfolgten Lagererweiterung so bei etwa 8.300 Behältern in der Stunde. Hinzu kommt die automatisierte Depalettier-Leistung, die bei 4.000 Behältern im gleichen Zeitraum liegt. Unmittelbar nach der Depalettierung erfolgt die erste Aufteilung der Behälterströme für das HDS. Etwa die Hälfte der Behälter wird in den oberen und die andere Hälfte in den unteren Bereich des HDS transportiert. Im Sinne einer übergreifenden Prozessoptimierung ist so eine sinnvolle Verteilung der Waren garantiert. Die Bestückung des Hochregallagers erfolgt im Wareneingang – also dort, wo die von Edeka Südwest Fleisch selbst produzierten und die von externen Anbietern zugelieferten Waren zusammengeführt werden – über fünf automatische und acht manuelle Palettenaufgabestationen.

Effiziente Kommissionierprozesse

Für die Organisation der Kommissionierbereiche hat Edeka Südwest Fleisch dem Logistik-Generalunternehmer kurze Wege und ein hohes Maß an Flexibilität in das Pflichtenheft geschrieben. Herausgekommen sind Kommissionier-Durchlaufkanäle mit heute 35 Kommissionierinseln. Pro Insel können in Spitzenzeiten zwei Mitarbeiter A- und B-Artikel manuell picken. Bei geringeren Output-Anforderungen kann ein Mitarbeiter zwei Inseln bedienen. Gepickt wird mit Pick-to-Light-Anzeige und MDE-Support. Insgesamt erlaubt das System 14.000 Picks pro Stunde. „Bei der Planung wurde von vornherein berücksichtigt, möglichst wenige „Springerkisten“ zu erzeugen, die für ihre auftragsbezogene Artikel-Vollständigkeit zwei oder mehr Kommissionierinseln durchlaufen müssen“, betonte Markus Ehrmann. Es sei ein Leistungskriterium, jede Kiste möglichst vollständig in nur einer der Kommissionierinseln zu bestücken. Für die Kommissionierung der C-Artikel sind heute sechs, statt früher zwei Kommissionierstationen „Pick@Ease“ von Vanderlande installiert. An jedem der mit Bildschirm, Waage, Scanner und Pick-to-Light-Anzeige ausgestatteten vollautomatischen „Ware-zu-Mensch-Stationen“ lassen sich bis zu 650 Picks pro Stunde realisieren. Die Systemleistung aller manuellen Stationen liegt bei 3 000 Picks pro Stunde.

Per Posisorter zum Warenausgang

Jede Stunde werden heute auf beiden Seiten des HDS bis zu 12.000 Kisten abgefördert, auf einer Förderstrecke konsolidiert und über insgesamt fünf Vanderlande-Posisorter (Schuhsorter) zu 60 Zielen ausgeschleust. Anschließend wird der Behälterstrom wieder zusammengeführt und zu 18 Rolli-Beladungsstationen transportiert. Jeder Beladestation sind drei als Sequenzer fungierende Turmspeicher vorgeschaltet, mit denen sich mögliche zeitliche und inhaltliche Unregelmäßigkeiten ausgleichen lassen. An jeder Rollcontainer-Ladestation lassen sich 32 Rollcontainer pro Stunde beladen. Der durchschnittliche Warenausgang liegt bei dadurch bei etwa 400 Rollcontainer pro Stunde. Im Zweischichtbetrieb mit insgesamt 16 Arbeitsstunden können so etwa 6.400 Rollis an die Edeka-Filialen in der Region Südwest ausgeliefert werden.

Reibungsloser Start in eine zukunftssichere Logistik

Seit Inbetriebnahme läuft die Anlage ohne nennenswerte Störungen, wie Jürgen Sinn bestätigte. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Vanderlande hat einen sehr guten Job gemacht und die Herausforderung, diese doch sehr komplexe Logistikanlage im laufenden Betrieb umfassend zu erweitern, mit Bravour gelöst“, ist der Edeka-Manager voll des Lobes. Und auch Vanderlande-Geschäftsführer Markus Ehrmann ist zufrieden mit dem Ergebnis. Ehrmann: „Wir konnten bei diesem Projekt erneut eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass wir Projekte jeder Größe erfolgreich planen und installieren können.“ (ck)

Die Edeka-Region Südwest

Die Edeka-Region Südwest umfasst fünf Bundesländer, 1.200 Märkte und 43.500 Mitarbeiter. Die Fleischversorgung dieser Region wurde bereits 2011 im Fleischwerk Rheinstetten gebündelt. Dort entstand ein Produktions- und Logistikstandort mit einer Bruttogrundfläche von 52.700 Quadratmetern.

Redaktion (allg.)

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