Höchste Leistung am höchsten Berg

Industriegetriebe bewegen neue Seilbahn Zugspitze

Der Neubau der Seilbahn Zugspitze ist ein Projekt der Superlative. Seit Dezember 2017 befördert die vollständig neu entworfene Pendelbahn bis zu 580 Gäste pro Stunde auf Deutschlands höchsten Berg. Die enorme Antriebsleistung für die teils äußerst steile Seilbahn erfordert schwere Industriegetriebe.

Drei Jahre Planung und drei Jahre Bauzeit waren nötig, um die Personenbeförderung von der Talstation am Eibsee auf die Zugspitze zukunftssicher zu machen. Die Betreibergesellschaft Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG entschied sich für einen kompletten Neubau. Der Auftrag ging an die Schweizer Seilbahnfirma Garaventa, die 2002 mit dem österreichischen Seilbahnhersteller Doppelmayr fusionierte. Die Doppelmayr/Garaventa-Gruppe hat bisher über 14.000 Seilbahnsysteme in mehr als 90 Ländern realisiert. Dennoch ist die neue Seilbahn Zugspitze ein herausragendes Prestigeprojekt, das gleich drei Weltrekorde bricht: Die einzige Stütze, in Stahlbauweise ausgeführt, ist mit 127 Metern die höchste ihrer Art. Zwischen Stütze und Bergstation überwindet die Bahn bisher nicht realisierte 3.213 Meter Seil, und die 1.945 Meter Höhenunterschied auf diesem Seilabschnitt sind gleichermaßen weltweit einzigartig.

Hohe Leistung für ein extremes Streckenprofil

Kurz vor dem Gipfel wird der Anstieg der Seilbahn sehr steil: Die bergfahrende Kabine überwindet eine Steigung von 104 Prozent, gewinnt also auf jedem Meter waagerechter Vorwärtsbewegung mehr als einen Meter an Höhe. Zeitgleich nähert sich die zweite Kabine der Talstation, die Bahn fährt also im Pendelbetrieb. Verbunden sind beide über eine Zugseilschleife, die in der Talstation angetrieben wird. Zwei je 900 Kilowatt starke Drehstrommotoren sind über elastische Klauenkupplungen von KTR mit je einem dreistufigen Stirnradgetriebe des Typs X3FS280 von SEW-Eurodrive verbunden. „Die Leistung brauchen wir, weil wir hier ein extremes Streckenprofil haben“, betont Projektleiter Markus Reichmuth von Garaventa. Hinter der Kupplung befindet sich jeweils noch eine Schwungmasse von fast einem Meter Durchmesser und gut einer Tonne Gewicht. Die Schwungräder sorgen für ein besseres Regelverhalten des Antriebssystems. Die daran anschließenden Industriegetriebe mit je fast sechs Tonnen haben jeweils ein Nenndrehmoment von 240.000 Newtonmetern und können eine Leistung von 1.024 Kilowatt übertragen. Sie werden von einem Öl-Luft-Kühler im definierten Temperaturbereich gehalten. Auf der Abtriebsseite sorgt jeweils eine über drei Tonnen schwere schaltbare Bolzenkupplung für den Kraftschluss mit den Seilrädern. Auf deren Rückseite kann über Zahnkupplungen ein Notantrieb eingreifen.

Die Getriebe der Baureihe X von SEW-Eurodrive zeichnen sich durch ihre geräuscharme Verzahnung und hohe Wartungsfreundlichkeit aus. Das robuste Gehäuse der Baureihe ist in der Universalausführung umkehrbar und kann in allen Raumlagen verwendet werden. Die bei der Seilbahn-Zugspitze verwendeten Horizontalgehäuse sind dagegen speziell für horizontale Anwendungen konzipiert.

Ein Stillstand der Seilbahn ist äußerst unwahrscheinlich

Ein weiteres Getriebe von SEW-Eurodrive ist in der Bergstation auf der Zugspitze installiert: Das dreistufige Kegelstirnradgetriebe vom Typ X3TH210 mit einem Nenndrehmoment von 90.000 Newtonmetern sitzt am Antrieb der Bergekabine. Diese könnte zur Bergung der Fahrgäste auf die Tragseile gesetzt werden, falls die beiden Kabinen der Seilbahn-Zugspitze sich nicht mehr bewegen lassen. Das ist jedoch äußerst unwahrscheinlich – jeder der beiden Hauptmotoren, sowie die beiden hydraulisch betriebenen Notantriebe können das Zugseilsystem notfalls auch allein antreiben.

Die gewaltige, erforderliche Antriebsleistung erzeugen zwei Drehstrommotoren mit je 900 Kilowatt Nennleistung. Sie sind an ein 400-Volt-Mittelspannungsnetz angeschlossen. Bei einem Stromausfall können Dieselaggregate der zwei Megawatt starken Netzersatzanlage die nötige Antriebsleistung bereitstellen. Die Netzersatzanlage ist in der Talstation in einem Nebenraum installiert und wurde von Polyma installiert und in Betrieb genommen.

Im Normalbetrieb beschleunigen die beiden Hauptmotoren und die Industriegetriebe der Baureihe X im Verbund das Gondelsystem auf bis zu 10,6 Meter pro Sekunde – das sind fast 40 Stundenkilometer. Jede Kabine fasst bis zu 120 Fahrgäste und wird von jeweils zwei Tragseilen mit 72 Millimetern Durchmesser und 145 Tonnen Masse gehalten. Die Tragseile haben eine Bruchlast von gut 600 Tonnen und wurden aus 5.500 Kilometern Draht gefertigt. Die Seilbahn ist für Temperaturen bis -30 Grad Celsius zugelassen und fährt bis Windstärke 8. In rund zehn Minuten gelangen die Fahrgäste auf den Berg.

Ein Projekt mit Vorzeige-Charakter

Für den Hersteller Garaventa ist die neue Seilbahn-Zugspitze ein Leuchtturmprojekt, ebenso für die Antriebsspezialisten von SEW-Eurodrive in Bruchsal, die in der Schweiz von der Generalvertretung Alfred Imhof AG vertreten wird. „In letzter Zeit hat sich die Kooperation mit der Imhof AG verstärkt“, berichtet Projektleiter Markus Reichmuth. „Preis-/Leistungsverhältnis und Termintreue stimmen - und die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut.“ Imhof-Industriegetriebespezialist Peter Baumgartner ergänzt: „Ein solches Projekt ist mehr als nur eine hervorragende Referenz - es ist ein Meilenstein. Die Seilbahn auf die Zugspitze hat ja einen Platz in den Geschichtsbüchern.“

Autor: C. Rüttling

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